Einmal um die halbe Welt
Diesmal führt die kulinarische Reise vom südamerikanischen Kontinent über das südöstliche Afrika bis nach Südostasien. Jean, Erica und Mialinirina, die alle in der Jugendherberge Dahme an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste arbeiten, bringen Eintopf, Pfannengericht und tropisches Dessert auf den Tisch.
Foto(s): Henrik Matzen
Jean Lins de Ajauro
Wenn die Ostsee an die Küste von Dahmeshöved rollt, klingt das in den Ohren von Jean wie ein Gute-NachtLied. „Das ist fast ein bisschen wie zu Hause“ sagt der 35-Jährige. Zu Hause, das ist Rio de Janeiro. Und auch Deutschland. Der Brasilianer kam mit 18 nach Freiburg, lernte Restaurantfachmann und ist jetzt fest angestellt bei der Jugendherberge Dahme. „Housekeeping, Haustechnik, Küche – ich bin da, wo ich gebraucht werde“, erzählt er lächelnd. Aber alle sechs Monate geht’s zu Besuch in die Heimat zur Familie mit vier Halbgeschwistern.
Erica Tutaan
Angekommen ist Erica von den Philippinen als Au-pair, um Deutsch zu lernen und dann Tourismusfachfrau zu werden. So war der Plan. Doch nun steht für die 22-Jährige fest: Sie wird Köchin. Gekocht hat sie schon immer gern, „seit ich elf Jahre war, für meine drei Geschwister und unseren Großvater“, erzählt sie. Und einen Ausbildungsplatz hat sie auch schon, in einem Betrieb nur wenige Hundert Meter entfernt von der Jugendherberge Dahme. Sie will im Norden bleiben: „Ich mag es nicht so gern warm, dann kann man besser schlafen.“
Mialinirina Mitahirisoa
Vor zwei Jahren kam Mialinirina aus Madagaskar nach Deutschland, um eine neue Kultur und Sprache kennenzulernen, wie sie sagt. Ihre Heimatinsel ist geprägt von Stränden, Bergen und Tropenwäldern, die eine Vielzahl nur dort beheimateter Tiere beherbergen, etwa Lemuren. Seit zehn Monaten arbeitet sie in der Jugendherberge Dahme. Im Anschluss an ihre Bundesfreiwilligenzeit startet die 22-Jährige eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Dann aber doch lieber im Süden Deutschlands, dort, wo es übers ganze Jahr etwas wärmer ist.“

Ein Arbeitsplatz direkt am Meer. Eine herrliche Vorstellung, oder? Mialinirina, genannt Mialy, Erica und Jean haben das große Los gezogen. Ob sie in der Jugendherberge Dahme Dienst in der Küche haben, die Gästezimmer herrichten oder den lichtdurchfluteten Speisesaal nach dem Essen der Herbergsgäste wieder aufräumen: Die Ostsee ist immer direkt nebenan. Zwischen der Steilküste am Rand der Lübecker Bucht bis zu ihren Herkunftsländern liegen jedoch viele Tausend Kilometer.

Nun sind sie hier. Erica, gebürtig von den Philippinen, und Mialy aus Madagaskar sind im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes (BFD), als sogenannte Bufdis, für jeweils ein Jahr an Bord der Jugendherberge gegangen. Sie sind Teil des internationalen Teams unter der Regie der Jugendherbergseltern Tina und Patrick Schmid. „Ich mag diesen Ort“, sagt Mialy, „der Strand liegt vor unserer Tür. Es fehlen nur die Palmen und Kokosnüsse.“ Der in Brasilien geborene Jean gehört seit zwei Jahren zur Herbergsfamilie und ist als Allrounder unverzichtbar geworden
In der großen Küche des modernen, rund gebauten Herbergsgebäudes glänzt das Edelstahl-Interieur. Durch die Fenster schaut man über den im Wind wehenden Strandhafer hinweg auf die glitzernde Ostsee. In der Mitte befindet sich die Kochinsel, an der die drei ihr Menü für die Hierleben-Kochrunde zubereiten. Mialy, Erica und Jean wirken wie ein eingespieltes Team, jeder Handgriff sitzt. Kein Wunder, sie alle kochen schon seit Kindertagen – vor allem für ihre Geschwister und die Großeltern, während ihre Eltern arbeiteten.
Jean hat sich für das brasilianische Nationalgericht Feijoada entschieden, einen Eintopf aus schwarzen Bohnen und Fleisch. In weiser Voraussicht hat er die Bohnen bereits am Vortag eingeweicht. Während sie im großen Topf simmern, würfelt er mit einem scharfen Messer Bauchspeck und Schweinebauch und schneidet die Wurst in Scheiben. Ganz schön viel Fleisch! „Ja“, sagt Jean, „in meiner Heimat essen wir viel Fleisch, aber auch Fisch, und täglich Reis und Nudeln. In eine traditionelle Feijoada gehören alle Teile eines Tieres hinein: Fleisch, Speck, aber auch die Ohren und Pfoten“, erklärt er. Ein Nose-to-TailGericht also, das in Brasilien bei Festen und Grillpartys serviert wird, diesmal aber als deftige Vorspeise seinen Auftritt hat. Erica, ganz Profi, hat alle Zutaten für ihr Chicken Adobo, also mariniertes Hühnchen nach philippinischer Art, abgewogen und in kleinen Schälchen griffbereit neben sich auf die Arbeitsplatte gestellt. Zwiebeln und Knoblauch schmoren schon in der großen, flachen Pfanne. Schnell kommen die kleinen Hähnchenunterschenkel mit hinein, und sobald sie gebräunt sind, fügt Erica Soja- und Austernsoße sowie Gewürze hinzu. Da beginnt es, in der Pfanne zu brodeln, und ein verheißungsvoller Duft erfüllt die Küche. Kurze Zeit später folgt der GeschmacksClou: Essig. „Sobald ihr den zugebt, dürft ihr die Soße nicht mehr umrühren, sonst wird sie sauer“, verrät Erica, während sie dem köstlich braunen Sud Zeit zur Reduktion gibt.
Wäre von der Arbeitsfläche am Fenster nicht leise Radiomusik im Hintergrund zu hören, könnte man meinen, Mialy sei die lange Holztreppe, die von der Jugendherberge die Steilküste hinunter an den Strand führt, herabgestiegen und würde ein wenig Meeresluft schnuppern – so unauffällig bereitet sie ihren Voankazo Salady vor. Kein Brutzeln, kein Blubbern, ihre Messerschnitte beim Schälen der Äpfel und Papayas sind kaum hörbar. Auch den Kern der Mango löst sie mit geübten Griffen heraus, würfelt das Obst im Rhythmus der Musik und richtet ihren fruchtigen Salat mit Joghurt, Rosinen und Minze an. Als das Menü, das um den halben Erdball führt, auf dem Tisch steht, gesellen sich andere aus dem Team der Jugendherberge dazu. Welcher Gang wohl der beste ist? Das vermag hier niemand vorherzusagen. Aber der kleine Sohn von Herbergsmutter Tina Schmid riecht das Chicken Adobo schon von Weitem und sitzt wie so oft als Erster am Tisch.
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