Heimat im Gepäck
Fisch aus Norwegen, Geflügel aus Kuba, Limetten aus den USA – nicht alles lässt sich aus der alten Heimat mitbringen. Doch mit etwas Fantasie sind die geliebten Gerichte auch hier leicht zuzubereiten. Die Hierleben-Kochrunde weiß, wie das geht.
Foto(s): Henrik Matzen
Nann Moldskred
Nach ihrem Germanistikstudium kam die Norwegerin aus Bergen immer wieder nach Deutschland, um Land und Sprache besser kennenzulernen. Schließlich blieb sie und zog nach Flensburg, damit ihre vier Kinder in der Nähe zu Skandinavien aufwachsen konnten. Heute ist sie Schleswigerin und liebt nicht nur Literatur, sondern übersetzt auch Fachtexte aus verschiedenen Sprachen ins Norwegische. Außerdem ist sie Dozentin für Sprachen und Fachübersetzungen. Als Ausgleich zur Kopfarbeit geht sie wandern – in ihrer Heimat, im Süden oder direkt vor der Haustür.
Yelyi Contreras
Yelyi ist mit elf Geschwistern im kubanischen Las Tunas aufgewachsen und hat gleich zwei Ausbildungen: Mechanikerin und Krankenschwester! Als sie 2007 an einem Abend vom Dienst in der Klinik kam, traf sie ihren heutigen Mann, einen Deutschen, der über die Insel reiste. „Ich war so verliebt“, erzählt sie. Ein Jahr später waren sie verheiratet. Wenn sie sich nicht um ihren Garten mit herrlicher Rosenpracht in Fahrdorf bei Schleswig kümmert, näht und malt sie leidenschaftlich gern. Natürlich übernimmt sie es auch, die Autoreifen zu wechseln.
Katherine Kühl
Sie ist Vollprofi, wenn es um Küche und Kochen geht: Katherine Kühl aus Oregon unterrichtet neben Englisch auch Hauswirtschaft an einer dänischen Schule in Schleswig. Zum Uni-Abschluss im Sommer 1990 schenkten ihre Eltern ihr eine Reise nach Deutschland. Im Zug traf sie auf eine Politikerin, und da sie International Affairs studiert hatte, bekam sie spontan ein Praktikum in einem Bundestagsbüro angeboten. Auf einer abenteuerlichen Dienstreise in ein ungarisches Jugendcamp traf sie dann einen jungen Mann. „Er war der Einzige, der Englisch sprach.“ Bis heute ist sie mit ihm verheiratet.

Wer gern kocht, schnackt auch gern. Oder?“ Eine Bestätigung braucht Katherine eigentlich nicht. In dieser Runde stimmt es einfach, die drei Frauen plaudern seit der ersten Minute. Ein Thema: Reisegepäck. Yelyi ist erst kürzlich von Kuba zurückgeflogen. „Ich durfte zwei Koffer zu je 24 Kilo mitnehmen, dazu acht Kilo Handgepäck“, berichtet sie. Den Platz habe sie auf der Rückreise unbedingt gebraucht – für Lebensmittel. „Ich habe zum Beispiel ein riesiges Glas kubanischen Kümmel gekauft“, erzählt sie und reicht ein kleines Gefäß herum, in das sie das Gewürz umgefüllt hat. „Ich glaube, fast alle, die im Ausland leben, bringen sich heimische Lebensmittel mit“, meint Nann. „Ich packe mein Auto auf dem Weg zurück von Norwegen immer voll mit solchen Zutaten.“ Sie zeigt auf das kleine Päckchen mit Fiskebuljong, eine Art Fisch-Brühwürfel. „Das ist wohl ein Zeichen von Heimweh“, stimmt Katherine zu. „Aber inzwischen weiß ich, dass es alle Produkte ganz ähnlich gibt. Oder man macht es selbst! Das ist für einige Landsleute ganz neu“, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Ihre Tipps gibt sie in Internetforen gern weiter. „Da bin ich eine alte Häsin.“

Die Graham-Cracker, die sie eigentlich als Grundlage für den „Crust“, die Kruste ihrer Key Lime Pie braucht, ersetzt sie durch Vollkorn-Butterkekse. „Das funktioniert hervorragend“, sagt sie, als sie die fein gemahlenen Kekse mit Butter und etwas Zucker vermischt. Fasziniert schaut Nann zu, wie Katherine die Mischung danach mithilfe eines Schälchens gleichmäßig in die Form drückt. „Die Methode übernehme ich“, sagt sie anerkennend. Gerade hat sie Möhren, Lauch und Sellerie in Würfel geschnitten, die sie in die Mischung aus Milch und Fischfond gibt. „Wäre ich in Norwegen, würde ich den Fond aus den Resten eines Dorsches kochen – Schwanz, Gräten und alles, was so übrigbleibt“, sagt sie. Das Suppenrezept aus ihrer Heimatstadt Bergen hat sie aus einem Kochbuch übersetzt und mitgebracht. „Normalerweise koche ich aus dem Kopf. Rezepte engen mich ein“, meint sie.
Aber wo es schon mal da ist, schaut sie jetzt drauf, um sich die Abläufe einzuprägen – denn für die nächsten Schritte am Herd muss sie mit zwei Töpfen hantieren. Trotzdem arrangiert sie sich dort wunderbar mit Yelyi, die die anderen Herdplatten belegt. Sie hat Knoblauch, Chorizo und Zwiebel mit Reis angebraten, dann die Bohnen und schließlich Wasser hinzugefügt. Jetzt kann sie sich ums Putenfleisch kümmern. Die Steaks hat sie bereits mariniert mit Curry gekauft. Gekonnt schneidet sie rote Paprika, einige kleine Knoblauchzehen – übrigens auch eigenhändig aus Kuba importiert –, Petersilie und rote sowie weiße Zwiebel klein. „Zwei verschiedene Zwiebeln, das muss sein“, erklärt sie. Außerdem verrührt sie Öl mit Zitrone, Oregano, Zwiebel und noch mehr Knoblauch. Die Mischung nennt sie Mojito. Mit dem berühmten kubanischen Cocktail hat diese Soße nichts zu tun. Sie wird später über die Süßkartoffeln gegossen, die Yelyi vorgegart mitgebracht hat. Da Nann und Yelyi am Herd beschäftigt sind, hat Katherine den Ofen für sich allein. Während die Kruste backt, verrührt sie Eier und Kondensmilch mit einem Schneebesen. „Schaut mal, wenn der Limettensaft hinzukommt, wird die Masse dick“, sagt sie. Der Name verweist übrigens darauf, dass im Originalrezept die Limette von den Key-Inseln kommen. „Aber die gibt es nur in Florida“, meint sie. Dann verrät sie noch ihren Geheimtrick. „Es steht nicht im Rezept. Aber ich gebe etwas grüne Lebensmittelfarbe dazu. Typisch USA“, sagt sie fröhlich, bevor sie die Pie mit Füllung wieder in den Ofen schiebt.
Professionell vorbereitet, zaubert Katherine eine fertige Lime Pie aus dem Kühlschrank hervor. „Sie muss richtig lange durchkühlen, das hätte hier nicht geklappt“, sagt sie entschuldigend. So passt es ausgezeichnet, denn Nann hat in der Suppe inzwischen Stücke von Dorsch und Seelachs garen lassen und sie mit Crème fraîche gebunden. Auch das Hauptgericht ist fertig. Das Trio hat nicht nur perfekte Speisen, sondern auch ein perfektes Timing für sein Menü hinbekommen.
Rezepte