Kulinarische Schlenker – von Europa in den Orient
Ins Genussrennen gehen bei dieser internationalen Kochrunde Deutschland, Iran und Polen. Für die drei Powerfrauen Manuela, Setareh und Malgorzata ist Kochen ein Ausdruck für Kultur und Lebensart.
Foto(s): Henrik Matzen
Manuela Schaar
Die gelernte Bürokauffrau und Programmiererin schaut über den Tellerrand hinaus. Politisch interessiert und sozial engagiert, geht sie den Dingen des Lebens gern auf den Grund. „Als Genussmensch lasse ich mich von der Gourmetküche inspirieren“, sagt sie. „Rezepte sind für mich nur Ideen, die zum Experimentieren anregen.“ Manuela ist glücklich, sich ganz ihren Hobbys widmen zu können. Sie führt in Hannover ein gastliches Haus, ist mit ihrem Lebenspartner oft in der Welt unterwegs. Nicht nur zwei Katzen bereichern ihr Leben, sondern auch das aktive Golfspielen.
Setareh Habibi
Mit 28 Jahren musste Setareh Ende der 1990er-Jahre mit Mann und zwei kleinen Kindern aus ihrer Geburtsstadt Teheran fliehen. Nie wird die Iranerin die 30 Monate im Asylheim vergessen. Als ihr Mann als politischer Flüchtling anerkannt wurde, begann ein neues Leben. In Hannover arbeitete sie auf der EXPO 2000, ließ sich zur Friseurin ausbilden, legte ihre Meisterprüfung ab und machte sich in München selbstständig. Die Sehnsucht nach ihren Kindern und zwei Enkelkindern ließ sie nach Hannover zurückkehren. Am liebsten reitet sie und übt sich im Yoga.
Malgorzata Schymalla-Gaj
Ihre Oma sagte einst: „Kannst du kochen, kannst du heiraten.“ „Kochen lernen war leichter als Heiraten“, lacht Malgorzata, kurz Gosia genannt. Aufgewachsen in der polnischen Stadt Gorzów Wielkopolski, kam sie als Au-pair nach Hannover. Die Mutter eines 23-jährigen Sohnes hat viele Leidenschaften. Sie malt, spielt Gitarre, singt im Chor, ist begeisterte Autofahrerin, liebt ihren Schrebergarten und unterrichtet an einer Schule in Hildesheim. Sie hat einen Abschluss in deutscher Philologie und Germanistik und wird für ihr perfektes Deutsch bewundert.

Im schönen Haus von Manuela versammeln sich die Teilnehmerinnen der Kochrunde am Esstisch, den man als Tulip Table kennt. Setareh zeigt auf die Marmorplatte. „Das ist doch viel zu schade, um hier das Gemüse zu schnippeln.“ In der Tat ist der Tisch eine Designikone. 1959 vom finnischamerikanischen Architekten Eero Saarinen entwickelt, wurde er schnell zum Objekt der Begierde vieler Designfans. Auch in Star-Trek-Filmen oder in Serien wie Grace and Frankie oder Mad Men hatte er seine Auftritte. Manuela wischt Setarehs Einwurf mit einer schnellen Handbewegung vom Tisch. „Der Tisch hat schon viel erlebt“, sagt sie lachend. „Fangen wir an – in der Küche wird es einfach zu eng sein.“ Während Manuela die Rote Bete für ihre Vorspeise, den Linsensalat, würfelt und die Frühlingszwiebeln in Ringe schneidet, macht sich Setareh daran, Knoblauch zu hacken und Zwiebeln zu reiben. Sie hatte sich für die Zubereitung des Hauptgerichts entschieden und erklärt ihren Mitköchinnen den schwierigen persischen Namen, „Zereshk heißt Berberitzen, Polo Reis und Morgh Huhn. Es ist ein klassisches Gericht aus meiner Heimat, bei dem viele herrliche Aromen zusammenkommen. Das Huhn wird mit Zwiebeln, Kurkuma und Safran geschmort, der Basmatireis gedämpft und mit karamellisierten Berberitzen und etwas Zimt verfeinert.“ Sie ist sich sicher: Wer das iranische Gericht einmal probiert hat, wird es sowieso nur noch Lieblingsessen nennen.

Lieblingsessen ist Manuelas Stichwort. „Du heißt doch mit Familiennamen Habibi, heißt das nicht Liebling?“ fragt sie und freut sich über Setarehs Bestätigung. „Und mein Vorname Setareh bedeutet Stern“, erzählt sie. Da mischt sich Gosia ins Gespräch und erklärt: „Meine Nachspeise nennt man Karpatka, weil die hügelige Oberfläche dieses Kuchens an die Karpaten erinnert. Auf die Teiggipfel stäubt man ordentlich Puderzucker, und das Bild von einem schneebedeckten Gebirge ist perfekt.“
Gosia hat Wasser und Butter in einem Topf zum Kochen gebracht, Mehl und Backpulver kräftig untergerührt, bis sich die Masse als Kloß vom Topfboden löst. Mit dem Kochlöffel drückt sie ihn von allen Seiten auf den heißen Topfboden und lässt ihn ein bis zwei Minuten „abbrennen“. „Ah, daher kommt der Name Brandteig“, sagt Setareh und erfährt, dass sich der Teig dadurch beim Backen zu kleinen Bergen und Tälern aufplustert. „Eigentlich ist es ein Windbeutel im XXL-Format, gefüllt mit einer Puddingcreme. Für uns Polen eine köstliche süße Tradition“, erzählt Gosia. Als Setareh und Manuela hören, dass es die polnische Kuchenspezialität 2022 in einem weltweiten Ranking von 50 Kuchen auf den vierten Platz geschafft hat, sind sie nun umso gespannter auf Gosias Dessert.
Um Zeit zu sparen, hat Manuela die Linsen schon vorgekocht und abkühlen lassen. Jetzt kümmert sie sich um das Karamellisieren der Walnüsse. „Honig ist für mich zum Zucker eine gute Alternative“, erklärt sie. „Diese Walnüsse sind dann nicht nur ein süßer Gegenpart auf dem würzigen Linsensalat, sondern geben dem Ganzen auch die crunchige Note.“ Gosia rührt die Puddingcreme, während Setareh sich der Reiszubereitung widmet. „Eine Kunst für sich“, sagt sie lachend, „im Topf soll sich unten eine Kruste bilden.“ Eine fruchtige Note bekommt der Reis durch die Berberitzen. Safran verleiht ihm die Farbe und den leicht bitter-aromatischen Geschmack. Auch Setarehs Hähnchenkeulen brutzeln bereits vor sich hin. Durch Kurkuma erhält die Soße einen etwas scharfen, erdig-holzigen Geschmack.
Im Ofen hat sich der Brandteig wie ein kleines Gebirge aufgefaltet. Die beiden Teigstücke sind perfekt geraten. Als Manuela zu Tisch bittet, liegen würzige Aromen in der Luft. Obwohl sich die drei Frauen vorher nie gesehen haben, ergeben sich gleich interessante Gesprächsthemen. Neben dem Essen, von dem sie alle begeistert sind, geht es um Kindheitserinnerungen, um holotropes Atmen, was den Körper von verschiedenen Blockaden heilen kann, um das Singen von Schlagern und natürlich um die geliebten Hobbys wie Reiten, Yoga, Lesen und Golfspielen.
Rezepte