Gemeinsam von Anfang an
Die eine lebt schon lange in Tarp, die andere erst seit ein paar Jahren, und der dritte im Bunde ist schon einen Ort weitergezogen: José, Anissa und Majid sind sich bei der Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Tarp“ zum ersten Mal begegnet. Auch in der Küche verstehen sie sich blendend.
Foto(s): Henrik Matzen
Majid Al-Khafaji
Hierleben – der Magazintitel gefällt Majid Al-Khafaji richtig gut. „Das passt zu mir, ich lebe jetzt hier“, sagt der 37-Jährige mit dem freundlichen Lächeln. Ursprünglich stammt er aus dem Irak und hat dort Computerwissenschaft studiert. Nach der Flucht lebte er erst in Dänemark, dann in Tarp und jetzt in Flensburg. „Ich bin mit neun Geschwistern aufgewachsen, hier wohne ich allein – das ist ein Unterschied“, sagt er. Seine Technikleidenschaft hat er mitgebracht und sich nach einem Sprachkurs wieder in die Welt der Netzwerke und Bytes gestürzt.
Anissa Baker
Anissa Baker mag ihren Job in der Kantine eines großen Unternehmens sehr – im Moment arbeitet sie dort auf Minijob-Basis. So bleibt Zeit, um für ihre drei Kinder – die zwölfjährigen Zwillingssöhne und die 14-jährige Tochter – ab und zu Gerichte aus ihrer syrischen Heimat zu kochen. Vor ein paar Monaten hat Anissa den Führerschein gemacht. So kann sie die Kinder zum Sport oder Musikunterricht bringen und die Gegend rund um ihren Wohnort Tarp erkunden. „Ich gehe sehr gern im Wald oder auch mal am Wasser spazieren“, so die 35-Jährige.
José van Gils-Most
Wer José van Gils-Most kennt, weiß, dass sie ein Organisationstalent ist und überall mit anpackt, wo Hilfe nötig ist. Die Niederländerin engagiert sich für Handball, im Hospiz, für ein Frauenhaus und in der Flüchtlingshilfe. „Wenn irgendwas mit Ausländern ist, ruft man José an – das war immer klar“, sagt die 71-Jährige fröhlich. Neben unzähligen Ehrenämtern hat sie eine große Familie: fünf Kinder, fünf Enkelkinder – „und fünf Schwiegerkinder“, betont sie. Nach Deutschland kam sie 1980 nach ihrem Studium der Politikwissenschaft.

Majid strahlt, als er Josés Haus betritt. Gerade hat er seine Prüfung als Computerwissenschaftler an der Uni bestanden, berichtet er noch an der Haustür. José umarmt ihn und gratuliert herzlich. Die beiden kennen sich seit Majids ersten Monaten in Deutschland. Auch Anissa, die einen Korb voller Lebensmittel mitbringt, hat mit ihrer Familie schon einige Kontakte geknüpft – natürlich auch zu José, die sich mit anderen „Alteingesessenen“ dafür engagiert, dass sich alle Neuankömmlinge von Anfang im Ort wohlfühlen. Dazu gehört auch, ab und zu gemeinsam zu kochen oder bei einem Fest Spezialitäten aus der Heimat mitzubringen. Die drei haben also etwas Vorerfahrung und sind auch in Josés heller Küche schnell ein eingespieltes Team.

Da das Geflügelfleisch für den Hauptgang lange garen muss, stellt Anissa einen Topf mit Wasser auf den Herd und legt die Hähnchenschenkel hinein. „Die habe ich mit Salz und Zitronensaft kräftig eingerieben und dann gut gewaschen. Dadurch werden sie schön zart“, sagt sie. Aus einer Dose zaubert sie Lorbeerblätter, Nelken, ein Stück Zimt und je eine gelbe und schwarze Kugel hervor. „Das sind getrocknete Zitronen“, erklärt sie. „Sie geben beim Kochen Säure ab, der Fleischgeschmack kommt dadurch gut raus. In Syrien haben wir sie selbst getrocknet, hier kaufe ich sie im arabischen Markt.“ Obwohl Anissas Muttersprache Kurdisch ist, wechseln sie und Majid ein paar Sätze auf Arabisch. Vor ihrer Zeit in Deutschland hat Anissa bei Aleppo gewohnt. Von dort kennt sie auch die Linsensuppe, die Majid zubereitet. Gerade schüttet er die Linsen in ein Sieb. „Ich wasche sie dreimal, so geht die Stärke weg, und die Linsen sind bekömmlicher“, erklärt er. „Dann müssen sie noch zehn Minuten einweichen.“ Der 37-Jähirge ist hochkonzentriert. „Ich bin es nicht gewohnt, für viele Leute zu kochen“, sagt er, sieht aber sehr zufrieden dabei aus.
José hat den Teig für ihre beiden Kuchenspezialitäten schnell zusammengerührt. „Die Rezepte sind ganz einfach, die Form für den Boterkoek ist das Besondere“, sagt sie. Darin sorgt nämlich ein flaches, bewegliches Messer dafür, dass sich der Kuchen leicht lösen lässt. „Es funktioniert hervorragend“, beteuert sie, „aber man kann auch eine Springform nehmen.“ Dann rollt sie den zweiten Teig aus und sticht Kreise heraus. José kocht und backt gern und viel, aber dieses Rezept ist für sie eine Premiere. „Bisher habe ich Gevulde koeken immer aus den Niederlanden mitgebracht, um sie für spontanen Besuch im Haus zu haben.“
Majid nimmt die Suppe vom Herd, um sie zu pürieren. „Das ist im Irak ein traditionelles Gericht, manche essen es zum Frühstück mit Brot“, erzählt er. Die Suppe ist fast fertig, und Majid schlendert zu Josés Bücherregal im Wohnzimmer. „Hast du auch Fantasy-Romane?“, fragt er. José sucht ihm ein paar Titel heraus: „Wenn du sie ausgelesen hast, leihe ich dir andere.“ In dem Moment klingelt die Küchenuhr: Der Boterkoek ist fertig. José greift zum Pfannenwender und drückt beherzt den warmen Kuchen ein. „So wird er innen schön saftig und außen etwas hart – auch wenn sich viele wundern, dass ich die schöne Oberfläche zerstöre.“
Anissa ist immer noch beschäftigt. „Kabse ist schon aufwendig“, meint sie. „In Syrien kocht man das bei Festen oder wenn wichtiger Besuch kommt. Und man braucht eine spezielle Gewürzmischung.“ Die gehäuteten Mandeln und die Nüsse müssen noch geröstet werden. „Hast du eine kleine Pfanne?“, fragt sie José. Die schüttelt lachend den Kopf. „Ich habe nur große.“ Kein Wunder, denn ihre Familie besteht im Moment aus 17 Personen. „Ich mag es gar nicht, nur für zwei Personen oder für mich allein zu kochen“, gesteht sie.
Die Nüsse sind die Krönung für die herrliche Reis-GemüseHähnchen-Mischung. Irgendwie hat Anissa es noch geschafft, nebenher Zaziki zu mischen, und alle stellen fest, dass die Linsensuppe und Kabse wunderbar schmecken und ein Stück leckerer niederländischer Kuchen der perfekte Abschluss für diese tolle Kochrunde ist.
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