Geschmack der Heimat
Gerichte, die nach Zuhause schmecken, lösen wohlige Gefühle und schöne Erinnerungen aus. So ist es auch bei Wida, Sevilya und Hatice, die leckere Köstlichkeiten aus ihren Heimatländern Iran, Usbekistan und Türkei zubereiten. Und die drei entdecken viele Gemeinsamkeiten.
Foto(s): Henrik Matzen
Wida Arbabi
Wida ist eine fröhliche Frau, die unheimlich gern lacht. Kein Wunder, dass die Krankenschwester ihre Patienten in Kiel mit ihrer Art bezaubert. „Sie nennen mich oft ‚ meine liebe Wida‘ oder ‚mein Sonnenschein‘“, freut sich die 47-jährige Iranerin. Seit sechs Jahren lebt sie mit ihrem Sohn in Schönkirchen im Kreis Plön und lernt fleißig Deutsch. „Das mit dem ü und dem ö bekomme ich aber nicht hin“, erzählt sie lachend. In ihrer Freizeit kocht Wida gern und lässt sich Kräuter von ihrer Schwester aus dem Iran schicken.
Sevilya Michaelis
Sie wollte eigentlich nur ein Jahr als Au-pair in Deutschland sein, aber dann ist Sevilya geblieben, hat geheiratet und Kinder bekommen. Statt Usbekistan ist nun Kiel die Heimat der 35-Jährigen. „Ich liebe Deutschland und bin glücklich, dass meine Töchter hier aufwachsen.“ Sevilya weiß, was sie will. Sie ist klug und gebildet, hat Psychologie in Teilen und „Tourismus und Hotelwesen“ fertig studiert und nun die Schichtleitung bei Markant in Kiel/ Ellerbek übernommen. Beim Kochen und Backen macht ihr niemand etwas vor.
Hatice Fritsche
Hatice ist ein sportlicher Wirbelwind: Sie spielt Badminton und Tennis, geht laufen und ist viel in Action. Auch jobmäßig macht die 49-jährige Mutter zweier Kinder so einiges: Sie arbeitet bei einer Krankenkasse und hilft außerdem ihrem selbstständigen Mann im Büro. Hatice hat türkische Eltern und ist in der Türkei geboren, aber in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Heute zaubert sie die typische türkische Nachspeise Künefe für die Kochrunde. „Ich liebe Backen, und mein Traum war eigentlich immer ein eigenes Café.“

Iran, Usbekistan und Türkei: Bevor die drei Frauen mit dem Kochen beginnen, wird im Internet kurz gecheckt, wie weit ihre Heimatländer eigentlich voneinander entfernt liegen. „Ach guck, sie liegen wie in einem Dreieck zueinander“, sagt Sevilya. „Und wir gehören alle zum Türkvolk, haben also bestimmt auch Gemeinsamkeiten beim Kochen.“ Sevilya, Wida und Hatice legen nun los und erzählen kurz, was sie zubereiten. „Ich mache eine Gerstensuppe mit Hähnchen und habe zu Hause schon einiges vorbereitet“, sagt Wida. Tatsächlich müssen die Gerstenkörner mindestens drei Stunden in Wasser eingeweicht werden. Die Iranerin hat auch viel Gemüse wie Paprika, Mais und Champignons dabei, denn sie mag es gesund. „Und Kräuter – die schmecken am besten aus dem Iran. Meine Schwester schickt mir alle drei Monate Nachschub.“ Sevilya macht Teigtaschen mit Lammfleisch als Hauptspeise und hat ebenfalls Gewürze aus der Heimat mitgebracht. „Hier in Deutschland ist der Kreuzkümmel grün – das geht nicht, man muss ihn also in türkischen Geschäften kaufen oder aus Usbekistan kommen lassen.“ Energisch zerdrückt die 35-Jährige den braunen Kreuzkümmel mit dem Mörser, und alle drei saugen den herrlichen Duft ein.

Hatice ist für die süße Nachspeise zuständig und zieht für ihre Künefe die Teigfäden namens Engelshaar auseinander. Die Besonderheit bei ihrer Nachspeise ist der enthaltene Mozzarella. „Das Süße zusammen mit dem Käse: Das ist eine irre Kombi“, sagt die Mönkebergerin. „Selbst deutsche Freunde mögen es.“ Und wenn Hatice es zu Hause für ihren Mann und die beiden Kinder macht, dann ist die Künefe ratzfatz aufgegessen. Hatice backt und kocht gern, aber wenn sie in die Türkei in den Urlaub fährt, dann lässt sie sich von ihrer Mama, die dort immer mehrere Monate im Jahr verbringt, mit landestypischer Hausmannskost verwöhnen.
Heimat – das ist ein schönes Wort. Und eine schöne Erinnerung. Sevilya ist in einer kleinen Stadt in der Nähe der Hauptstadt Taschkent groß geworden und kam in der Schule mit vielen Kulturen zusammen. Was sie noch über ihr Geburtsland sagen kann? „Usbekistan ist ein heißes Land, da kann es 50 Grad warm werden. Der Aralsee ist inzwischen fast ausgetrocknet.“ Während Sevilya erzählt, rollt sie den selbst gemachten Teig aus, formt dann eine Rolle und schlägt sie immer wieder auf den Küchentisch. „Puh, ist mir warm, ich habe hier den anstrengendsten Job“, sagt sie und lacht. Hatice ist schon fertig mit dem Schichten der Künefe und hilft der Jüngsten im Trio bei der aufwendigen Hauptspeise. Für die Soße müssen Paprika mit der Küchenmaschine zerkleinert und Knoblauchzehen geschnitten werden. Fünf Zehen kommen hinein. „Normalerweise nehme ich zehn“, sagt Sevilya und grinst.
Wida zerrupft das vorgegarte Hähnchenfleisch und gibt es zu ihrer Gerstensuppe. Nach und nach füllt sie Milch dazu. „Heute habe ich übrigens zum ersten Mal in meinem Leben etwas abgewogen“, erzählt die Krankenschwester und lacht wieder herzlich. „Ich koche sonst nur mit den Augen.“ Auch die gebürtige Teheranerin ist nun fertig und hilft, die Teigtaschen für die Hauptspeise zu formen. „Bitte keine Taschen, es müssen Dreiecke werden“, sagt Sevilya, die ganz genaue Vorstellungen hat. Hatice stellt fest, dass die kleinen Teile wie türkische Tortillas aussehen.
Die Küche ist mittlerweile voller Düfte aus aller Welt, die Mägen knurren schon, und nach einer langen, langen Zeit (Sevilya: „Sorry, meine Schuld“) kann serviert werden. Die Suppe erinnert an deutsches Hühnerfrikassee, nur mit viel mehr Geschmack und Gewürzen. Die Teigtaschen sind von außen herrlich knusprig, von innen zart und zwiebelig. Die Nachspeise mit dem Engelshaar und dem Zuckersirup sorgt für den krönenden Abschluss. Die drei Frauen, die sich vorher so gut wie gar nicht kannten, plaudern und lachen, tauschen Erlebnisse aus und finden immer wieder Gemeinsamkeiten. Alle drei lesen zum Beispiel gern. Sevilya und Hatice stellen beide in ihrer Freizeit aufwendige Motivtorten her, die auf den Handyfotos so toll aussehen, als kämen sie direkt vom Konditor. Zum Abschied drücken sich alle herzlich. Immer wieder bereichernd, diese Kochrunden.
Rezepte