Mut zur Schärfe

Afrika, Asien und Europa – das Hierleben-Menü der drei jungen Köchinnen überrascht auf den ersten Blick. Doch die Speisen aus Ghana, Pakistan und Russland ergeben ein harmonisches Trio, das auf der Zunge zergeht.

Foto(s): Frederik Röh
Ernestina Ahinkorah
Kochen ist für Tina mehr als ein Hobby. „Kochen ist meine Leidenschaft“, sagt sie und strahlt. „Ich liebe nicht nur dasZubereiten, sondern auch das Essen!“ Die 27-jährige Westafrikanerin hat gerade ihr Studium abgeschlossen und möchte künftig im Im- und Export arbeiten. Dazu passt, dass sie sehr gern reist und ihre große, weit verstreute Familie besucht. „Meine Verwandten sind mir sehr wichtig!“ So waren es auch ihre Großmutter und einige Tanten, die ihr die entscheidenden Tricks für die traditionelle Küche ihrer Heimat Ghana beibrachten.
Zubaria Safder
Als Kind verbrachte Zubaria ihre Zeit am liebsten draußen mit Freunden – gekocht hat sie eigentlich nie. Doch als sie als internationale Studentin nach Deutschland kam, musste sie ran an die Töpfe. Nun hat sie gerade ihr Studium beendet – und mittlerweile liebt sie es zu kochen, vor allem für ihre Freunde aus aller Welt. „Anfangs fand ich es schwer, hier alle Gewürze und Zutaten zu finden, die mir vertraut waren. Ich vermisste den authentischen Geschmack meiner Heimat. Doch jetzt weiß ich, wo ich meine Gewürze finden kann.“ Zwei weitere Hobbys pflegt sie hierzulande: „Ich liebe klassische Musik und lese sehr viel.“
Diana Vasylieva
Dianas Babuschka, die Großmutter in Russland, spielte eine große Rolle in der Kindheit ihrer Enkelin. Omas Rezepte, ihre Speisen, die Erzählungen – das alles sind schöne Erinnerungen an gemütliches Beisammensein und Geborgenheit. So hat Diana als Dessert die gebackenen Äpfel gewählt, die es früher bei Babuschka oft als Nachspeise gab, vor allem im Winter. Diana studiert Soziale Arbeit in Hamburg, ist regelmäßig im Fitnessstudio anzutreffen und kocht ebenfalls gern für Freunde. „Mein persönliches deutsches Lieblingsessen ist Zwiebelkuchen“, sagt sie. „Wir Russen lieben es herzhaft.“

Mit Zwiebeln fängt heute alles an. Diana, Tina und Zubaria stehen an der Küchenarbeitsplatte und schnippeln das Gemüse für die Vorspeise und den Hauptgang. Die scharfen Tränenverursacher gehören nicht nur zu den ältesten Kulturpflanzen, sondern sind zudem unverzichtbarer Bestandteil sehr vieler Gerichte überall auf der Welt. „Es gibt auch kaum ein afrikanisches Gericht ohne Zwiebeln“, erzählt Tina.

In ihrem Heimatland Ghana wird sehr gern würzig gekocht. Über die Schärfe einer Zwiebel kann sie nur milde lächeln. Schnell schnappt sie sich ein paar grüne Chilis für die Suppe. Diana und Zubaria schneiden zudem den Ingwer klein. „Nimm nicht zu viel davon, Diana“, sagt Tina. „Die Deutschen mögen es nicht ganz so scharf.“ Alle lachen.

Diese Deutschen. Nun sind die „Garden Eggs“ dran. „Das sind afrikanische Auberginen, etwas kleiner als die meisten, die es hier zu kaufen gibt“, erklärt Tina der Runde. Gekonnt zerteilt sie die gelben Eierfrüchte. Währenddessen brutzelt das Fleisch, das eine Weile zuvor mariniert wurde, im Topf vor sich hin. Die Suppe wird aufgesetzt – und verfeinert. Tina hat extra einen Brühwürfel aus Ghana als Würze mitgebracht: „Onga“ steht drauf. Auf Deutsch übersetzt heißt das: „Mamas helfende Hand“. Die Suppe wird mindestens 30 Minuten vor sich hin köcheln. In Ghana wird oft das berühmte „Fufu“ dazu gereicht, ein Brei aus Maniok und Kochbananen.

Jetzt ist es an der Zeit für die Vorbereitung der Hauptspeise, einen kulinarischen Klassiker aus Pakistan: „Wir bereiten Chicken Biryani oft an besonderen Tagen oder am Wochenende zu. Es ist zum Beispiel auch für große Feierlichkeiten wie Hochzeiten sehr populär“, erzählt Zubaria. Schwungvoll wäscht sie schon mal den Reis und lässt ihn einweichen.

Diana hilft bei der Zubereitung des Hähnchens und isst ein kleines Stück Zitrone. „Das mache ich immer, wenn ich weiß, dass ich sehr viel essen werde“, sagt sie und lacht. „Das hilft bei der Verdauung.“ Ein kleiner Trick der fitnessbegeisterten Russin, die erklärend hinzufügt: „Die Säure der Zitrone bringt den Stoffwechsel in Schwung und kurbelt die Fettverbrennung an!“ So hat jede aus dem Trio ihre eigenen Vorlieben. Tina kann sich beispielsweise für den deutschen Winterhit namens Rotkohl begeistern. „Ich liebe ihn“, sagt sie. „Auch wenn man so viel schnippeln muss. Er hat viele Vitamine und ist unglaublich lecker!“ Zubaria ist ein überzeugter Suppenfan. „Es gibt wohl kaum ein Land, das eine solche Vielzahl von Suppenrezepten kennt“, meint sie. „Besonders gern mag ich die verschiedenen Gemüsesuppen, die es hier gibt.“

Die Pfanne ist jetzt heiß – genau richtig, um die Chilischoten, Zwiebeln und die Gewürze wie Kardamon und Kreuzkümmel für das Biryani-Gericht zu bräunen. Dank der für den nordeuropäischen Gaumen raffinierten Gewürze wird das Gericht so zu einem besonderen Geschmacksfest. Dafür, dass Zubaria in ihrer Heimat zwar das Essen der Familie immer sehr genossen, aber nie selbst gekocht hat, sind ihre Handgriffe jetzt recht professionell. Dazu hat nicht zuletzt ihre Schwester beigetragen, die telefonisch während der ersten Jahre in Deutschland immer mit vielen Tipps aushalf. „Jetzt macht es mir sehr viel Spaß, und ich koche eigentlich fast jeden Tag“, sagt Zubaria.

Diana köpft derweil die Äpfel. Genaugenommen schneidet sie vorsichtig einen Deckel ab und höhlt die Früchte aus, um sie mit Nüssen und Honig zu füllen. Außerdem nutzt sie die pürierten Apfelreste ohne Kerne für die Füllung. Tina schaut interessiert zu, denn ihr ist völlig fremd, Honig zum Zubereiten von Speisen einzusetzen. „In Ghana nehmen wir Honig für unseren Tee. Eine andere Verwendung kenne ich nicht.“ Alle drei Köchinnen verbinden mit dem Essen, das sie für Hierleben zubereiten, kulinarische Traditionen, mit denen sie schon als Kinder vertraut waren. „Die gemeinsame Speise sorgt für Zusammenhalt“, sagt Zubaria. „Außerdem ist es toll, über Essen zu sprechen, das ist eine gute Grundlage für anregende Gespräche.“ Diana holt jetzt die duftenden Äpfel aus dem Ofen.

Das wird sie ihrer Oma erzählen, die auf der Krim lebt: „Sie wird sich freuen, dass ich ihr Rezept für den Wohlfühlnachtisch weitergegeben habe.“

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