So schmeckt Heimat
Mit einem Fachgespräch über Chilischärfe, Nudelformate und saure Beeren startet unser Kochvergnügen. Den Kandidatinnen Rocio und Tarja steht mit Lello aus Italien ein Profi zur Seite, der Humor in der Küche zu seiner Mission gemacht hat.
Foto(s): Frederik Röh
Rocio Schapper
„Als junges Mädchen hatte ich am Kochen kein Interesse“, erzählt Rocio. Oma und Uroma waren die tollen Köchinnen der Familie. Rocio wuchs in Mexiko-Stadt auf, studierte dort Betriebswirtschaft und lernte während eines Austauschsemesters in Paris ihren späteren Mann kennen. Mit ihm ging sie für sieben Jahre nach Bahrein, arbeitete dort in der mexikanischen Botschaft an kulturellen Projekten, holte die berühmte mexikanische Köchin Margarita Carrillo Arronte ins Land. Ihr Motto: „Hat man Heimweh, muss man die Heimat wenigstens schmecken.“ Nach zwei Jahren in London lebt sie mit ihrer Familie jetzt in Hannover.
Gualtiero Ruggeri
25 Jahre lang war er das Gesicht des Ristorante „da Lello“ am Aegi. Nie war oder ist Hannovers Kult-Italiener um einen flotten Spruch verlegen. Stars und Sternchen wie Steffi Graf, die Klitschko-Brüder, Thomas Gottschalk, Gerhard Schröder oder Schlagersänger Heino gaben sich bei ihm die Klinke in die Hand. Sein Herz gehört den Fußballern von Hannover 96. Jahrelang versorgte er sie im Stadion mit Pizza, Pasta oder Salat. Nun genießt er seinen Ruhestand, hilft hier und da mal bei einem italienischen Kollegen aus und hat endlich auch mehr Zeit für seine beiden Töchter. „Kochen? Jeden Tag für meine Frau.“
Tarja Sohmer
„Ich liebe Kartoffelpuffer und Apfelmus, Federweißen und Zwiebelkuchen. Das habe ich erst in Deutschland kennengelernt“, erzählt Tarja, die als Au-Pair nach Hannover kam und hier sowie in Weimar Literaturwissenschaften und Kulturmanagement studierte. Schreiben ist ihre Passion. Ihr erstes Buch, das sie einen Entwicklungsroman nennt, ist veröffentlicht, ihr zweiter Roman erscheint im Sommer bei dtv. „Es ist ein erotischer Roman“, erklärt sie, „aber auch das Kochen als erotisches Experiment spielt eine Rolle.“ Ist sie in Finnland in ihrem Sommerhaus, kommt der frischeste Fisch auf den Tisch. Vom Vater selbst gefangen.

Schaut mal, der Italiener, mit was für einem kleinen Auto er kommt!“ Gastgeberin Rocio lacht lauthals. Auch Tarja schaut durchs Küchenfenster und amüsiert sich über das dreirädrige Rollermobil, das ringsum mit Werbeschildern beklebt ist. Gualtiero, der Besitzer des lustigen Autos und der dritte Kochkandidat, trägt seine schwere Kiste ins Haus und freut sich, dass seine Ape bei den Damen so viel Anklang findet. „Auf Deutsch bedeutet Ape Biene“, erklärt er. „Mein Gefährt ist eine Weiterentwicklung der Wespe, auf Italienisch Vespa.“ Die ersten italienischen Vokabeln haben die beiden bereits im Ohr, als sich der Besitzer des kleinen Autos vorstellt. „Nennt mich Hier und wir Lello“, sagt er zu seinen Mitköchinnen. „Meinen richtigen Namen Gualtiero, was im Deutschen Walter heißt, kann keiner aussprechen.“ Rocio kennt das: „Auch mein Vorname ist so kompliziert, dass ich mir selbst den Namen Rosi gegeben habe.“ Tarja lacht: „Mit meinem Familiennamen kann ich das noch toppen!“ Sie erheitert die beiden mit einem unaussprechlichen finnischen Wort.

Rosi freut sich, dass die beiden ihr bei der Zubereitung der Pekannusssuppe helfen. „Da muss viel Gemüse geschnitten werden.“ „Kein Problem“, sagt Lello, krempelt die Ärmel hoch und bindet seine schwarze Schürze um. Er hat seine eigenen Küchenutensilien mitgebracht. „Gott sei Dank“, meint Rosi, „wir sind ja gerade erst von London hierhergezogen, ich finde immer noch nicht alles, was man zum Kochen braucht.“ Sie schaut sich zweifelnd in ihrer Küche um. „Ich habe schon Pläne, wie man diese eine Wand hier rausnimmt, um die Küche größer zu machen.“ Interessiert schauen Lello und Tarja auf die breiten, schwarzen Schoten, die Rosi neben dem Gemüse ausgebreitet hat. „Das sind Chili passilo, schwarze Chilis. Sie sind mild, ich habe sie aus London mitgebracht. Landläufig denken alle, mexikanische Chilis seien scharf wie Feuer, doch weit gefehlt. Es gibt Hunderte unterschiedlicher Sorten. Und die Mexikaner kaufen Chili kiloweise, genau wie die geliebten Tortillas.“

Während Lello schon vom Staudensellerie die harte Haut mit einem Sparschäler abzieht, den Porree schneidet und die Tomaten heiß überbrüht, damit er sie schälen kann, rührt Tarja ihren Teig für die Beerenpirogge zusammen. Der Ofen ist bereits vorgeheizt, und Rosi nutzt die Zeit, um die Pekannüsse zu rösten, die sie für die Deko braucht. „Das ergibt ein tolles Aroma“, erklärt sie. Tarja knetet den Teig in die Form. Sie hat für den Belag rote Johannisbeeren ausgewählt. „Wir Finnen mögen es gern sauer. Je saurer, umso besser.“ Rosi hackt in einer kleinen Maschine die restlichen Pekannüsse. „Was für ein praktisches Geschenk von meiner Schwiegermutter.“

Die Suppe köchelt schon langsam auf dem Herd. Nach 20 Minuten kommt sie zum Pürieren in den Küchenmixer, den man übrigens in jeder mexikanischen Küche findet, wie die Gastgeberin erklärt. Lello erzählt, wie er in Hannover anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 die mexikanischen und italienischen Mannschaften erlebt hat. Er feixt ein bisschen. „Die Mexikaner haben ihre schwarze Soße in großen Flaschen mitgebracht und über mein Essen gekippt.“ Für sein Gericht hat er schon zu Hause alles vorbereitet, den Rosenkohl geputzt, die Fleischstreifen mariniert. Die Nudeln sind frische Fertigware. „Meine Mama hat vor jedem Kirchgang den Nudelteig für die ganze Familie gerollt. Während alle in der Kirche waren, hatte er die nötige Zeit, um zu trocknen.“ Apropos Pasta: Lello erinnert sich. Als er nach Hannover kam, sprachen die Deutschen nur von Nudeln. Tarja ergänzt: „Auch in Finnland gab es für Pasta nur das Wort Makkaroni.“ Wie sich die Zeiten ändern!

Lello wendet das Fleisch mit einer großen Pinzette. Die drei erzählen sich, was sie in ihrer Heimat gern gegessen haben. Über Blutpudding kommen sie auf italienisches Eis, auf die neuen Taquerias in London, in denen gut mexikanisch gekocht wird, wie Rosi erzählt, bis hin zu Heidelbeeren, von denen die Finnen sagen, dass sie keinen Geschmack haben. „Doch unser Essen schmeckt“, sagen die drei und beugen sich mit Begeisterung über ihre Teller. Vor allem schmeckt es nach Heimat.

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