Ein Schluck Kulturgeschichte
Wer auf den historischen Spuren Flensburgs wandelt, kommt am Rum nicht vorbei. Von den einst zahlreichen Rumhäusern, die der Stadt im 18. und 19. Jahrhundert Reichtum bescherten, sind heute noch zwei übrig. Eines davon ist die Rum-Manufaktur A.H. Johannsen.
Foto(s): Henrik Matzen
Der Ruhm Flensburgs als Rumstadt hat seine Wurzeln in der Mitte des 18. Jahrhunderts, als Flensburg noch zum dänischen Königreich gehörte. Damals florierte der Handel mit der Kolonie Dänisch-Westindien in der Karibik. Dank der regen Hafenwirtschaft konnten von dort auch Rum und Zucker importiert werden. Der in Flensburg veredelte feine Rum wurde von der Förde aus nach ganz Deutschland und nach Skandinavien geliefert. Als 1885 ein Mengenzoll auf die Einfuhr von Rum erhoben wurde, entwickelten die findigen Kaufleute den „German Flavoured Rum“. Er wurde und wird noch heute in Jamaika destilliert und hat einen Alkoholgehalt von 70 bis 80 Volumenprozent. Der „German Flavoured Rum“, auch „Pure Rum“ genannt, weist bis zu 40-mal mehr Geschmacksstoffe als ein normal destillierter Rum auf. Dank des Umstiegs auf das Konzentrat konnte man teure Zollgelder sparen. So entpuppte sich letzten Endes das Zollgesetz von 1885 als echter Glücksfall, denn mittels Blending, also dem gekonnten Mischen verschiedener Sorten, und durch Zugabe von Wasser und Neutralalkohol entstanden aromatische Rums höchster Güte. Diese spezielle Veredelung wird „Flensburger Rum Verschnitt“ genannt und ist noch heute Grundlage für einige der Rumspezialitäten aus der Manufaktur A.H. Johannsen.
Ru(h)mreiche Vergangenheit
Wie der Rumhandel selbst blickt das Traditionsunternehmen auf eine bewegte Geschichte zurück: Am 1. Mai 1878 eröffnete Andreas Heinrich Johannsen, der Urgroßvater des heutigen Inhabers, das Rumhaus in der Großen Straße 4 in Flensburg. 1912 erfolgte der Umzug in die über 300 Jahre alte Marienburg, wo sich noch heute der Firmensitz befindet. Schwierig war das Jahr 1920, als durch die Abtretung Nordschleswigs an Dänemark auf einen Schlag über die Hälfte des Kundenstamms wegfiel. Es gelang jedoch, in und um Flensburg neue Absatzmärkte zu erschließen. Der Zweite Weltkrieg brachte das Geschäft völlig zum Erliegen, doch auch diese Krise konnte überwunden werden. Die Übernahmen der Flensburger Rumhäuser durch große Spirituosenkonzerne in den 1980er- und 1990er-Jahren überstand das Familienunternehmen ebenfalls. Johannsen ist somit heute das älteste noch bestehende Flensburger Rumhaus.
Mit viel Zeit zum Genuss
Schon beim Betreten der Produktionsräume in der Flensburger Marienstraße steigt den Besuchern ein angenehm warmer, aromatischer Geruch in die Nase. „Der Duft von Rum ist unverkennbar und hat mich schon in meiner Kindheit begleitet“, schwärmt Martin Johannsen und erinnert sich an leckeren Schokoladenkuchen mit Rum und die Gänge durch die väterliche Manufaktur in der Marienburg. In vierter Generation führt der Rumspezialist das Rumhaus und damit eine wichtige Tradition der Stadt weiter. Rund 60 Holzfässer lagern in dem historischen Kaufmannsspeicher. In den dicken Gemäuern hat der Rum Zeit zum Reifen. „Alle unsere Pure Rums lagern mindestens zehn Jahre in Eichenfässern, die letzten Jahre davon bei uns in der Marienburg. Nach dem Blending wird der Rum erneut im Fass gelagert, damit die Inhaltstoffe sich verheiraten können, wie wir es nennen“, erklärt Martin Johannsen.
Traditionelles und Neues
Und auch in der Produktion nimmt man sich Zeit für den Rum. „Hier wird überwiegend per Hand gearbeitet“, erklärt Alexander Spenner. Der gebürtige Flensburger und gelernte Destillateur hat ein wachsames Auge auf jeden einzelnen Produktionsschritt. „Die Produkte, die unser Haus verlassen, müssen vom Inhalt bis zum Etikett perfekt sein“, betont er. Der Klassiker aus dem Hause Johannsen ist ein echter Jamaika-Rum-Verschnitt: Der „1878“ erinnert an das Gründungsjahr und ist zum Kochen und Backen sowie als Grog ein Schluck Kulturgeschichte. Königlich im Geschmack ist der Johannsen Royal mit echtem, teils 14 Jahre altem Jamaika-Rum. Schon so manchen Festtag mitgemacht hat der „Jubiläum“, der im Jahr 1978 entwickelt wurde und dessen Rezeptur bis heute unverändert ist. Bei allem Traditionsbewusstsein fließt auch Zeit in die Entwicklung neuer Produkte. „Mit unseren saisonalen Spezialitäten lassen wir die Sonne Jamaikas das ganze Jahr über scheinen“, schmunzelt Martin Johannsen. Im winterlichen Sortiment darf der Johannsen Punsch nicht fehlen. Mit selbst eingelegten Gewürzen, besonders gutem Rotwein und natürlich einem kräftigen Schuss Rum bringt er wohlige Wärme in die kalte Jahreszeit. Zum Verfeinern von Tee, Kaffee oder Kakao ist der Vanille-Rum mit Bourbonvanille ein echter Tipp.