Bunt, frisch und gesund
Indonesisch, syrisch, alpenländisch: Was nach einer wilden Mischung klingen mag, wird in der Lehrküche der Gemeinschaftsschule im nordfriesischen Leck zu einem unkompliziert geschmackvollen Hierleben-Menü, das Traditionen, Erinnerungen und Kulturen verbindet.
Foto(s): Frederik Röh
Haris Schildhauer
Das Kochen ist seit jeher die große Leidenschaft von Haris Schildhauer. „In meinem Heimatland Indonesien hatte ich ein Restaurant zusammen mit meiner Schwester“, erzählt der fröhliche Mann, der 2005 nach Nordfriesland kam. Ohne ein Wort Deutsch zu können, heiratete er in eine Familie ein, „in der alle Platt sprechen“. Nicht die einzige Herausforderung: „Wenn ich hier Indonesisch essen will, muss ich selbst kochen.“ Das tut er auch, zwei- bis dreimal pro Woche. Und seine Rezepte sammelt er auf einem eigenen Food-Blog.
Chehmiran Mohammad
Chehmiran Mohammad ist eine Macherin: Sie floh 2016 aus dem syrischen Aleppo und kam in den hohen Norden Deutschlands. Am zweiten Tag in der neuen Heimat meldete sie sich zu einem Deutschkurs an und sagt heute überzeugt: „Wir sind hier angekommen. Ich mag die Ruhe in Nordfriesland. Und das ‚Moin‘.“ Mit ihrem Mann hilft die Mutter dreier erwachsener Kinder ehrenamtlich Flüchtlingen bei Behördengängen und befördert im internationalen Frauencafé den Austausch zwischen den Kulturen. Regelmäßig steht hier auch Kochen auf dem Programm.
Stefanie Dibbern
Stefanie Dibbern kommt aus der Grenzregion von Oberbayern und Tirol und schätzt den fließenden Übergang zwischen Regionen und Kulturen: „Meine Familie lebt eine Mischung aus verschiedenen alpinen Kochtraditionen.“ Nachdem ihre erste Anstellung nach dem Studium sie nach Kiel geführt hat, ist die Mutter von drei erwachsenen Kindern heute zwischen Flensburg und Nordfriesland zu Hause und bringt als zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin kleinen und großen Abenteurern die Natur im nördlichen Schleswig-Holstein nahe.

Esst ihr gerne scharf?“ Chehmiran wedelt mit einer roten und zwei grünen Chilischoten, lacht – und dürfte sich über Haris‘ genauso prompte wie überzeugte Antwort freuen: „Ich liebe scharf!“ Das Eis ist gebrochen an diesem Freitagabend im nordfriesischen Leck. Stefanie, Chehmiran und Haris werkeln und witzeln, als würden sie sich schon ihr Leben lang kennen. Dabei ist die Passion fürs Kochen das Einzige, was die drei bis hierher verbindet. Und dass sie diese an der Volkshochschule Leck weitergeben: Haris in Indonesisch-Kochkursen, Stefanie auf geführten Pilz- und Kräuterwanderungen und Chehmiran in den „Küchen der Welt“.

Während Chehmirans Messer flugs durch Auberginenfleisch quietscht, duftet bei Haris bereits das Huhn für die Vorspeise aus der Pfanne. Frühlingszwiebeln, Kurkuma, Knoblauch, Ingwer und Limette warten auf ihren Einsatz. „Soto Ayam erinnert mich an meine Kindheit“, erzählt der auf den Java-Inseln geborene Haris. „Wenn einer von uns Erkältung oder Grippe hatte, kochte unsere Mutter immer diese Suppe, und wir mussten sie heiß essen. Am nächsten Tag konnten wir wieder draußen spielen.“ Kein Wunder bei so viel gesunden, frischen Gewürzen! Frisches spielt auch in Stefanies Rezept eine große Rolle: „Meine Holunderbeeren sind selbst gesammelt. Da stand ich zum Pflücken in Gummistiefeln im Knick. Die Beeren kann man prima einfrieren und dann nach Bedarf zubereiten“, sagt sie und strahlt die in Rotwein badenden Früchte an. Dazu gibt’s den nächsten Tipp für den alpenländischen Nachtisch: „Man sollte einen trockenen, frischen Wein nehmen.“ Zum Beispiel einen Südtiroler Lagreiner, eine Rebsorte, die auf über 500 Metern Höhe wächst. Der passt gut zu den Beeren, „die wiederum ein bisschen Bitterkeit reinbringen“.
Bei Chehmiran ist es inzwischen bunt geworden: Rote, gelbe und grüne Paprika kuscheln mit den dunkelvioletten Auberginen im Ofen. Haris pellt die gekochten Eier für die Suppeneinlage, dann steht er plötzlich neben Chehmiran: „Kann ich dir helfen? Ich muss gerade eh warten.“ Die beiden bestreichen hauchdünnes Fladenbrot mit etwas Olivenöl und Paprikapaste und sind dabei sehr fokussiert. Auch im nächsten Arbeitsgang, als gehackte Petersilie und rote Zwiebelstückchen auf den Broten landen. Stefanie, in dezent-schicker Tracht gekleidet und mit schwarzweiß gemustertem Tuch auf dem Kopf, ist ebenfalls am Anrichten; das Kompott soll schließlich noch etwas abkühlen, bevor es verzehrbereit ist. „Dieses Dessert ist bei uns im Alpenraum die ‚Grütze des Südens‘. Auch Kinder essen es sehr gern”, plaudert sie und verrät, dass sie das Gericht, das sich übrigens prima für Partys vorbereiten lässt, gern auch mit wilden Blaubeeren, ihrem Lieblingsobst, kocht.
Völlig unvermittelt fragt Haris in die Runde: „Wisst ihr, was mein Lieblingsessen in Deutschland ist?“ Ehe auch nur einer raten kann, antwortet er selbst: „Currywurst-Pommes, denn das gibt’s in Indonesien nicht!“ Chehmiran stimmt ein: Ihr Favorit der deutschen Küche ist das Schnitzel. Das Rezept dafür hat ihre Schwägerin 1970 aus Deutschland nach Syrien mitgebracht. Dass Chehmiran aus ihrem Heimatland ein Auberginenrezept gewählt hat, ist kein Zufall, denn das Gemüse ist eine zentrale Zutat der syrischen Küche: „Mit Auberginen kann man so viel machen; wir haben an die 20 klassische AuberginenHauptspeisen“, berichtet Chehmiran. Allerdings brauchen diese Gerichte üblicherweise recht viel Zeit. Für die Kochrunde hat sie etwas ausgesucht, das einfach nachzukochen ist. So simpel es aus ihrer Sicht auch sein mag, so unwiderstehlich lecker riechen Gemüse und Fleisch jetzt, als das Blech aus dem Ofen kommt. Stefanie kostet: „Das schmeckt etwas georgisch, oder?“ Jetzt ist es wirklich wie bei Freunden hier! Die drei Köche fachsimpeln, genießen, lachen. Der Tisch ist gedeckt, die Suppe mit Glasnudeln, Röstzwiebeln und Petersilie wird eingefüllt, der restliche Lagreiner steht zum Anstoßen bereit. Bleibt nur noch zu klären, ob das Kompott besser mit oder ohne Sahne serviert wird. Eine Frage, die in Stefanies Familie seit Jahren diskutiert wird …
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