Generationsübergreifend lecker
Drei Frauen, drei Geschichten, drei Leben: In einer WG-Küche in Lübeck kommen sie für das internationale Hierleben-Menü zusammen und verabreden sich noch am gleichen Tag für ein nächstes Treffen.
Foto(s): Frederik Röh
Yuting Qin
Yuting hat in ihr kleines Häuschen in Lübeck eingeladen, in dem sie zusammen mit Mitbewohnern und ihrem Freund lebt. Nach Deutschland gekommen ist die heute 29-jährige Chinesin vor fünf Jahren, um Physiotherapie zu studieren. Inzwischen hat sie das Studium abgeschlossen und arbeitet in einer Physiopraxis. Sie liebt ihr selbst gebautes Hochbeet im Garten hinterm Haus und kocht gern zusammen mit Freunden. Da viele von ihnen Vegetarier und Veganer sind, hat Yuting ihre Lieblingsrezepte umgestellt, damit alle zusammen essen können.
Frieda Quejada
Frieda kam 2013 mit ihrer Familie von den Philippinen nach Lübeck. Eigentlich sollte es ein Besuch sein, doch die Hansestadt gefiel ihr so gut, dass sie blieb. Ihre Töchter besuchen das Gymnasium, und Frieda kümmert sich um Haushalt und Organisation. Die philippinische Küche vereint spanische, amerikanische, arabische, chinesische und japanische Einflüsse, sagt sie. Oft werden viele Gemüsesorten zusammen verarbeitet. Dennoch kommt jede einzelne Zutat zur Geltung. Friedas Hauptgericht ist ein traditionelles Alltagsgericht, das mit Reis serviert wird.
Olivia Baur
Die Oma von drei Enkelkindern ist immer in Aktion. Sie kümmert sich um sie, wenn ihre beiden Töchter mit den Schwiegersöhnen beruflich in der Welt herumreisen. Sobald wie möglich will Olivia wieder ihre Schwester in Mexiko besuchen. Dort hat sie vor 42 Jahren ihren Ehemann kennengelernt – im Hotel in Acapulco, in dem sie arbeitete. Er machte Urlaub, und die beiden verliebten sich ineinander. Später zog Olivia nach Lübeck und fühlt sich dort bis heute wohl. Umso mehr, seitdem auch ihre Kinder samt Familien in die schmucke Hansestadt gezogen sind.

Die mitgebrachten Kochutensilien sind kaum abgestellt, da sitzen die drei Köchinnen schon am großen Esstisch in der Wohnküche von Yuting. Nachdem die Namen geklärt sind, wird gerätselt, wie jede von ihnen zu der Runde gestoßen ist. Yuting und Frieda sind befreundet. Olivia stellt sich lachend als mexikanische Oma vor, mit passendem Kleid und buntem Schmuck. Schnell stellt sich heraus, dass alle, inklusive der Autorin, mit den beiden Besitzerinnen eines Lübecker Hotels bekannt sind. Ein großes Hallo und „Das gibt’s doch nicht“ fliegen hin und her. Das Eis ist gebrochen. Eigentlich könnten alle jetzt einfach am Tisch sitzen bleiben und sich gegenseitig Geschichten erzählen – aber man ist ja zum Kochen gekommen.

Lebhaft erzählend, packen die drei Frauen ihre Zutaten aus und legen los. Yuting schnippelt Gemüse für ihren chinesischen Glasnudelsalat. „Wir sagen auch Drei-Streifen-Salat dazu“, erzählt sie, „weil Möhren und Sellerie in Streifen geschnitten werden und zusammen mit den Glasnudeln ein Streifenmuster ergeben.“ Ihr Blick geht dabei aus dem Fenster in den Garten. „Da ist mein Hochbeet, das ich im vergangenen Jahr gebaut habe. Ich liebe das frische Gemüse, das ich ernten kann.“ Olivia pflichtet ihr vom Herd aus bei: „Frische Zutaten gehören auch bei mir immer zum Kochen dazu.“ Als Mexikanerin, die seit mehr als 40 Jahren mit ihrem Mann und den Familien ihrer Töchter in Lübeck lebt, hat sie sich die leckersten mexikanischen Rezepte bewahrt. Der Flan Napolitano ist ein Nachtisch, der in Mexiko gern zu Feiern und Geburtstagen mitgebracht wird. Auf kleiner Flamme lässt Olivia den Zucker karamellisieren und gießt ihn anschließend auf den Boden einer Keramikform. Frieda greift unterdessen zum Messer. Schwungvoll zerteilt sie das Schweinefleisch in mundgerechte Stücke. „Die Sinigang-Suppe ist auf den Philippinen ein beliebtes Alltagsgericht mit viel Fleisch, sommerfrischem Gemüse und einer leicht säuerlichen Note.“ Überhaupt ist Fleisch ein häufiger Bestandteil der philippinischen Küche, eine Art Gewürz für einen volleren Geschmack. „Meist gibt es mehrere Fleisch- und Gemüsegerichte zu einer Mahlzeit“, erzählt sie. Sogar zum Frühstück kann Fleisch in Form von Porridge mit Schnitzel serviert werden.
Am Tisch wird weiter fleißig Gemüse für die Vorspeise zerkleinert. Die Reste werden auf einem Teller gesammelt. Mülltrennung ist Yuting wichtig. „Überhaupt sollten wir mehr auf unser Verhalten achten“, findet die 29-Jährige. Sie verzichte daher bewusst auf einen Reiskocher als zusätzliches Gerät. „Weniger ist mehr.“ Absolut notwendig sind hingegen Gewürze. Eine ganze Knolle Knoblauch wandert gerade in die Soßenschüssel für den Glasnudelsalat, dazu Chiliflocken und jede Menge Pfeffer. Wird es sehr scharf? „Ein bisschen scharf“, antwortet Yuting und lacht. „Für mich ist es ein bisschen scharf, aber für andere ist das vielleicht ein bisschen mehr scharf.“ Alles ist eben relativ im Leben. Die Schärfe von Salatsoße allemal.
Frieda steht gedankenverloren am Herd und rührt in der Suppe. Das Fleisch braucht noch Zeit, um weich zu werden. „Es ist heute eine Warte-Suppe“, sagt sie. „Kann mir jemand mit dem heißen Flan helfen?“, ruft Olivia. Der Nachtisch ist im Wasserbad fest geworden und soll nun herausgehoben werden. Es duftet nach Vanille und Karamell. Schnell ist der Esstisch aufgeräumt und mit Tellern gedeckt. Los geht’s mit dem Glasnudelsalat. Gut gekühlt und mit Erdnüssen bestreut, kitzelt er den Gaumen mit chinesischen Aromen. Yutings „ein bisschen scharf“ passt vollkommen zum Schärfegrad. Die heiße Suppe ist entgegen der Erwartung sommerlich und herrlich frisch. Die leichte Säure schenkt dem Fleisch Leichtigkeit. Zum Schluss der Nachtisch – bei dem sich alle mal wieder fragen, ob das Leckerste im Leben wirklich am Schluss gegessen werden soll oder nicht doch als Erstes. Die kleine, bunte Gruppe beschließt beim Philosophieren über Nachtisch, Bücher und Urlaubsreisen, sich bald wieder zu treffen – um gemeinsam mexikanische Tortillas, chinesischen Mapo-Tofu und philippinisches Halo-Halo-Dessert zu kochen.
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