Kochen mit Netzwerkeffekt
Ja, sie geben es zu: Die Protagonisten dieser Kochrunde – Sylvia, Nicoleta und Erwin – hatten tatsächlich vorher etwas Lampenfieber. Aber die leichte Anspannung löst sich mit dem gemeinsamen „Du“ schnell auf, und noch dazu wirkt Nicoletas fröhliches Lachen sehr ansteckend.
Foto(s): Frederik Röh
Sylvia Sobbek
Die Geschäftsleiterin eines Möbelhauses mit vielen Kulturevents im Programm hat viele Talente. Sie ist freischaffende Künstlerin und malt beeindruckende Bilder im expressionistischen Stil. Aufgewachsen ist die gebürtige Polin in Auschwitz/ Oświęcim bei Krakau. Als sie zehn Jahre alt war, zogen ihre Eltern nach Hannover. Ihren Mann Simon, mit dem sie inmitten schönster Natur auf dem Land lebt, lernte Sylvia im Job kennen, und es hat zwischen den beiden sofort gefunkt. Vielleicht, weil er auch Pole ist?
Nicoleta Ion
Die Gastgeberin der Kochrunde ist eine bekannte Konzertpianistin. Die Rumänin lebt mit ihrem sympathischen Mann Robert in Mellendorf bei Hannover. Sie kam als junges Mädchen zum Klavierstudium hierher und ist geblieben. Ihre Hauptspeise erinnert an Cluj-Napoca, zweitgrößte Stadt in Rumänien und inoffizielle Hauptstadt der Region Siebenbürgen. Sie erinnert sich: „Ich habe vor dem Abitur dort gelebt und eine wunderbare, prägende Zeit verbracht. In meinem Herzen fühlt es sich sofort warm und gut an, wenn ich von Cluj spreche.“
Erwin Eder
„Ich stamme aus Oberndorf bei Salzburg – dem Ort, wo das Lied ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘ entstand“, stellt Erwin Eder sich vor. Der Liebe wegen kam der Österreicher nach Langenhagen bei Hannover. Der Ingenieur war beruflich viel unterwegs, lernte seine Frau beim Urlaub in Kenia kennen und wechselte für sie das Land. Seit Kurzem ist Erwin nun Rentner und setzt sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Integrationsbeirats der Stadt Langenhagen für alle Menschen mit Migrationsgeschichte ein.

Oder ist es der selbst gemachte Kirschlikör, der in der gemütlichen Landhausküche von Gastgeberin Nicoleta Ion für gute Stimmung sorgt? Wie viele andere Köstlichkeiten, die hier zubereitet werden, stammen seine Zutaten aus dem eigenen Garten. Wer möchte, wird eingeladen, Nicoleta in den Keller zu begleiten. Dort steht das Fass mit selbst eingelegtem Sauerkraut, das sie nun zusammen mit einer großen roten Paprika herausfischt. Am Küchentisch wird spontan gefachsimpelt, denn auch Sylvias Heimat Polen ist ein Land, in dem Kohl sehr geschätzt wird, und auch sie hat einen großen Garten. Das Gemüse für ihre Suppe ist selbst gezogen, und sie hält begeistert die feinen weißen Blumenkohlröschen in die Kamera: „Sind die nicht schön?“ Bevor die Kochrunde sich nun aber zu einer gelungenen Party mit Likör und Prosecco auswächst, verteilt Nicoleta an alle Messer und Schneidebretter, und es geht an die Arbeit.

Zuerst heißt es, Zwiebeln zu schneiden und gemeinsam das Gemüse für Sylvias Suppe zu zerkleinern, denn das muss lange köcheln. Erwin fragt nach genauen Anweisungen und welches Schnittmuster die Damen gern hätten. Dann arbeitet er sich konzentriert von den Möhren zu den Kartoffeln vor, ein Techniker eben. Nicoleta hackt mit so rasender Geschwindigkeit Zwiebeln, dass das staunende Publikum Angst bekommt: „Du bist Pianistin. Pass bitte auf deine Finger auf!“ Die Antwort ist wieder dieses großartige, ansteckende Nicoleta-Lachen: „Alles gut!“ Sie kann das – sempre allegro.
Sylvia füllt ihren Suppentopf und sagt wie zu sich selbst: „Wenn meine Mutter wüsste, dass ich hier vor laufender Kamera meine Kochkünste vorführe, würde sie wohl lachen.“ Die klassischen polnischen Gerichte kennt sie von zu Hause. Die Suppe liebt sie, weil sie wunderbar warm und wohlig schmeckt, wenn die Tage wieder kürzer werden und die Temperaturen sinken.
Nicoleta kocht gern, erzählt sie, aber immer ganz intuitiv. „Ich musste früher meiner Mutter oft in der Küche helfen, obwohl ich keine Lust dazu hatte. Aber dabei bekommt man natürlich vieles einfach so mit, und heute ist Kochen für mich Entspannung und ein kreativer Prozess. An Rezepte halte ich mich dabei nie, sondern improvisiere lieber mit allem, was ich im Haus habe. So können für diesen Auflauf auch andere Gewürze verwendet werden wie Dill oder Majoran. Gern gebe ich auch eine geraspelte Möhre in das Hackfleisch. Die Mengenangaben sollten nur als Richtlinien dienen, die Fleisch-, Reis- oder Sauerkrautanteile sind variabel. Ich mag es gern mit viel Sauerkraut und kann mir das Gericht auch mit einem Fleischersatz gut vorstellen“, sagt sie. Und was meint Erwin? Er spricht Klartext: „Ich kann nicht kochen – bei uns kocht meine Frau. Aber den Kaiserschmarrn, den kann ich. Den habe ich mal bei einer Veranstaltung für 100 Personen zubereitet, gemeinsam mit meiner Tochter!“
Nicoleta demonstriert, wie sie ihren Auflauf schichtet, mit saurer Sahne bestreicht und dann in den Backofen schiebt. „Meine Mutter würde jetzt noch ‚pft, pft, pft’ machen“, verrät sie schmunzelnd. „Und meine würde sich bekreuzigen“, ruft Sylvia ihr zu. Ihre Suppe ist fertig. Sie schmeckt sorgfältig ab, und Erwin hilft, den Dill zu zerkleinern, der zuletzt hineinkommt. Dann führt er den Damen vor, wie er seine köstliche österreichische Mehlspeise zubereitet, auf die sich schon alle freuen. „Gar nicht so kompliziert, wie wir dachten“, lautet die Meinung. Aber wo bleiben die Rosinen? „Die mag ich nicht“, sagt Erwin. „Daher lasse ich sie immer weg.“
Als Nicoletas Auflauf fertig ist und sie die herrlich duftende Schüssel stolz in die Kamera hält, kann der große Holztisch zum gemütlichen Essen gedeckt werden. Erwin erzählt von der Geschichte Salzburgs und von seinen vielen Dienstreisen rund um die Welt. Nicoleta und Sylvia entwickeln Ideen für gemeinsame Veranstaltungen mit Musik und Kunst, und bei einem letzten Gläschen Kirschlikör kommt noch ein weiterer Höhepunkt des Abends, als sich die Gastgeberin an ihren Flügel setzt und der fröhlichen Runde ein kleines Konzert schenkt.
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