Manche mögen’s heiss

Platz ist in der kleinsten Küche, sind Natascha, Naomi und Depti sich einig. Alles eine Frage der Koordination. Und die klappt bestens bei dieser Kochrunde, zu der man sich in der Küche eines Kieler Studentenwohnheims trifft.

Foto(s): Frederik Röh
Natascha Libert
Mit sieben Jahren kam Natascha Libert mit ihren Eltern und ihrem Bruder aus Kasachstan nach Kiel. Schnell lernte sie die deutsche Sprache. „Mein erster Satz war: ‚Ich habe Hunger!‘“, erzählt die zierliche Frau, die gerade ihren Abschluss am Beruflichen Gymnasium im Profil Gesundheit gemacht hat. „Ernährung ist da natürlich auch ein Thema.“ Im Frühjahr wurde gemeinsam mit der Familie sieben Wochen gefastet, und auch eine vegetarische Phase hat sie ausprobiert. Die Frage, ob sie dabeigeblieben ist, beantwortet sich von selbst: Natascha kocht für die Hierleben-Kochrunde Teigtaschen mit Hackfleischfüllung.
Naomi Awuku
Wie ihre Freundin Natascha hat auch Naomi gerade die Abschlussprüfungen am Beruflichen Gymnasium in Kiel absolviert. Für die nahe Zukunft hat die 19-Jährige konkrete Pläne: Am liebsten würde sie zunächst als Kinderbetreuerin auf einem Kreuzfahrtschiff mitfahren und anschließend als Au Pair nach Australien oder in die USA gehen. Danach möchte sie in die Medienbranche. Ihr künstlerisches Talent beweist sie nicht nur beim Zeichnen, sondern zum Beispiel auch beim Gestalten von Motivtorten für Geburtstage oder Konfirmationen. Und vielleicht reist sie auch mal wieder zu ihrer Tante nach Ghana.
Deepika Mishra
Deepika ist mit ihrem pinkfarbenen Gewand heute der bunte Hingucker zwischen ihren schwarz gekleideten Mitköchinnen. Ihre 31 Jahre sieht man der Inderin mit dem fröhlichen Lachen nicht an. In Indien hat sie Ökonomie studiert, nach der Hochzeit ist sie nach Kiel gezogen. Während ihr Mann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni tätig ist, steuert Deepika oder Depti, wie ihre Freunde sagen, auf den Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre zu. Depti liebt das Kochen, und am allerliebsten lädt sie Freunde zum Essen ein. Dass die Gerichte streng vegetarisch sind, ist für viele Hindi ganz selbstverständlich.

Nachdem alle die richtige Eingangstür gefunden haben, geht‘s auch gleich los. Als Erstes wird Nataschas Hefeteig angesetzt, damit er in aller Ruhe gehen kann. Milch, Mehl, Trockenhefe und Öl sind mit dem Küchenmixer schnell zu einem glatten Teig verknetet, der dann im Kühlschrank geparkt wird. Bestens, da steht er nicht im Weg.

Den Kühlschrank hat auch der Fotograf für sich entdeckt: Alles, was nicht ins Bild gehört, wird obendrauf zwischengelagert. „Ich hab‘ schon in kleineren Küchen fotografiert“, berichtet er und lacht.

Als Nächstes geht‘s an die Hauptspeise: Unter Regie von Naomi wird ghanaischer Spinateintopf zubereitet. „Den esse ich seit ich klein bin bei meinem Vater, aber ich hätte nie gedacht, dass neben dem Hähnchen auch noch Thunfisch reinkommt“, gesteht sie. Am liebsten hätte sie das Ganze mit Palmöl zubereitet, doch das ist noch irgendwo auf dem Postweg zwischen Afrika und Kiel unterwegs, obwohl der Onkel es schon vor geraumer Zeit losgeschickt hatte. Macht nichts: Mit Sonnenblumenöl funktioniert es genauso gut. Dann kommt die Schärfe ans Essen: Erst einmal dosiert Naomi vorsichtig mit wenig Chilipulver und etwas French Pepper.

Natascha darf kosten und verkündet: nicht scharf. Also darf noch mal ordentlich nachgewürzt werden. Was Schärfe angeht, bleibt Depti ganz gelassen: In Indien isst man gern und häufig scharf. Allerdings vorwiegend, wenn es draußen warm ist. „Im Winter können wir uns zu wenig bewegen und haben zu viel Kleidung an, um die durch die Schärfe freigesetzte Energie im Körper loszuwerden“, lautet die Erklärung. Nicht nur, was die Würze der Speisen, sondern auch was den Musikgeschmack angeht, kommen Naomi und Depti schnell auf einen Nenner: Beide sind große Bollywood-Fans, und schon wird die Playlist auf dem Handy aktiviert. Dank des Fotografen wird der etwas dünne Sound mit Hausmitteln verstärkt: Das Handy wird in eine Keramikschale gestellt, und schon sorgt der Resonanzkörper für beachtliche Töne.

Während also eingängige Songs über Schmetterlinge im Bauch und die große Liebe die kleine Küche fluten, macht sich Natascha an die Zubereitung der Hackfleischfüllung für ihre Teigtaschen. Depti hält sich währenddessen dezent an der Seite. In ihrer Familie wird seit Generationen kein Fleisch gegessen. „Das ist für viele Hindi ganz selbstverständlich“, erklärt sie und ist begeistert darüber, wie gut man in Deutschland Gemüse einkaufen kann. Apropos heimische Gepflogenheiten: Der Punkt, den Depti auf der Stirn trägt, nennt sich Bindi. Passend zu ihrem Kleid hat sie heute ein rosafarbenes Bindi aufgeklebt. Zusätzlich trägt sie den roten Punkt, der traditionell das Zeichen der verheirateten Frau ist. Gibt es also gar keinen Ehering? Doch, schon. Allerdings nicht am Finger, sondern am Zeh, verrät Depti.

Unterdessen hat Natascha den Hefeteig aus dem Kühlschrank befreit. Wo ist eigentlich das Nudelholz, das sie extra mitgebracht hatte? Na, auf dem Kühlschrank. Dann wird der Teig zu einer Rolle geknetet, zerschnitten und kreisförmig ausgerollt. Geschickt platziert Natascha etwas von der Hackfleischfüllung in der Mitte der Teigstücke und formt sie zu blütenförmigen Taschen. „Meine Mutter hatte angeboten, mit mir zu üben. Und mein Bruder meinte scherzhaft, fürs Foto müsse es ja nicht schmecken, nur gut aussehen“, verrät Natascha. Depti konzentriert sich unterdessen darauf, Teigkreise auszurollen. Kurzerhand greift sie zu ihrer eigenen Technik, schließlich sind die Teigformen den indischen Fladenbroten nicht unähnlich. „Aber nicht zu viel Mehl nehmen“, warnt Natascha, „sonst lassen die Taschen sich nicht mehr gut verkleben.“ Das ist wichtig, denn am Ende werden die Teigtaschen kopfüber in der Pfanne angebraten. Und schließlich ist es Zeit für Süßes. Das Möhren-Halwa riecht verführerisch nach Butter sowie vor allem nach Kardamom und macht geschmacklich alle glücklich.

„Süßes gehört bei uns zum Essen einfach dazu“, strahlt Depti. Die anderen nicken nur. Reden mit vollem Mund gehört sich schließlich nicht.

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