Wer kann da widerstehen?

Am besten lässt es sich in guter Stimmung kochen. Die temperamentvolle Hierleben-Runde zaubert wohlgelaunt lateinamerikanische Spezialitäten, gekrönt von einer süßen türkischen Versuchung.

Foto(s): Henrik Matzen
Maria Rebolledo
Es vergeht kaum ein Tag, an dem Maria nicht Zumba tanzt oder zu Hause zu lateinamerikanischer Musik die Hüften schwingt. „Das liegt mir einfach im Blut“, sagt die Venezolanerin, die in einer Küstenstadt des südamerikanischen Landes aufwuchs. Im Jahr 2002 zog es Maria nach Deutschland, der Liebe wegen. Abseits ihrer Leidenschaft fürs Tanzen mag es die temperamentvolle Frau auch ruhiger: Für ihre selbst genähten Patchworkdecken ist sie im Freundeskreis bekannt. Auch der kulinarische Genuss kommt bei ihr nicht zu kurz: Die faustgroßen Arepas aus Maismehl, die sie heute zubereitet, gehen auch privat weg wie warme Semmeln.
Itzenith Barahona
Die Einwohner Panamas sollen ja zu den glücklichsten Menschen der Welt gehören. Das könnte womöglich daran liegen, dass in dem südlichsten Land Zentralamerikas sehr viele so gern tanzen wie Itzenith (oder Maria). „Ich liebe natürlich unter anderem Salsa und Merengue“, sagt die Panamaerin, die in ihrer Wahlheimat Deutschland Kochkurse gibt. Als weitere Hobbys nennt die Party- und Musikfreundin Theater und Reisen ans Meer. Außerdem, das ist ganz wichtig: „Ich liebe die Sonne“, sagt sie und lacht. Oder kann jemand Latino oder Latina sein und sich mit einem rauen Klima dauerhaft anfreunden? „Natürlich nicht!“
Zümrüt Okreme
Seit Zümrüt etwa in der fünften Schulklasse war, kocht sie gern. Ihre Eltern haben immer lange gearbeitet, sie war häufiger bei der Oma und hat bei ihr sehr früh das Kochen gelernt. „Etwas später habe ich mich oft an Eintöpfen ausprobiert – und die Familie hat es genossen“, erzählt die Sachbearbeiterin eines Pharma-Unternehmens. Wann immer die kreative Zümrüt, Mutter von zwei Töchtern, Zeit hat, backt und kocht sie. Nach Rezepten aus der alten Heimat, aber auch mediterrane Küche sowie deutschen Apfelkuchen – alles wird liebevoll und sehr gern aufwendig verziert. „Das Auge isst mit“ gehört zu ihren Leitsätzen.

Partystimmung in Kölln-Reisiek bei Elmshorn. Das Hähnchengericht „Arroz con Pollo“ simmert auf dem Herd vor sich hin. Es wird alkoholfreier Prosecco serviert, die Atmosphäre bei Gastgeberin Itzenith ist locker, und die Vorfreude auf spätere Leckereien spürbar. Es liegt eine Dynamik in der Luft, die schwer zu beschreiben und am ehesten wohl mit dem Temperament der Kochrunden- Teilnehmerinnen, der beiden Latinas Itzenith und Maria sowie der Türkin Zümrüt, zu erklären ist. Die drei Frauen sind so gutgelaunt, dass man als Gast am liebsten auch gleich einen Kochlöffel in die Hand nehmen und etwas Originelles zubereiten möchte.

Womöglich hat die entspannte Stimmung auch damit zu tun, dass die drei Hierleben-Köchinnen aus Ländern stammen, in denen man nur allzu gern und temperamentvoll über das Essen spricht. „Bei uns haben Kochen und Esskultur viel mit nationaler Identität zu tun“, sagt Maria aus Venezuela, „und Mahlzeiten sind nicht nur für die Energiezufuhr da.“ Hinter jedem Nahrungsmittel stecke ein kleiner Kosmos: die Herkunft, die Zubereitung, die Emotionen. Außerdem stärke die Tradition, das Essen zu teilen, die Gemeinschaft.

Zum Auftakt gibt es heute Arepas. Die Vorspeise, aus Maismehl gebackene und ganz unterschiedlich gefüllte Fladen, gehören zu den typischen Snacks in vielen Ländern Lateinamerikas. Jedes Land hat seine eigene Tradition bezüglich Füllungen, Soßen und auch der Zubereitung der Fladen. Maria füllt ihre mit Hähnchenfleisch. Da kann keiner widerstehen. „Ich kenne jedenfalls keinen Deutschen, der das nicht mag“, sagt die Venezolanerin selbstbewusst. „Bei uns ist es eine Art Grundnahrungsmittel.“ Die faustgroßen Arepas, ein Mix aus Brötchen und Teigtasche, werden statt mit Huhn gern auch mit Schinken, Tomaten, Rührei oder dem Sahnekäse Nata gefüllt – und in der Heimat Marias sowohl morgens als auch mittags oder abends verspeist.

Zümrüt aus der Türkei hilft Maria dabei, den Maismehl-Teig zu kneten. Eine Aufgabe, die viele leidenschaftliche Hobby-Köche gern übernehmen. „Es fühlt sich einfach gut an, mit den Händen etwas zu kreieren und kraftvoll zuzupacken“, sagt Zümrüt. Nicht ohne Grund ist das Backen ihre Leidenschaft. Gastgeberin Itzenith ist derweil mit der Hauptspeise beschäftigt und holt dafür das marinierte Fleisch aus dem Kühlschrank. „So bekommt das Hähnchen noch mehr Aroma und wird saftiger“, sagt sie. Gute Vorbereitung ist alles. Das weiß die sportliche Lehrerin aus Panama, die regelmäßig Kochkurse gibt. Mittlerweile bietet sie auch kulinarische Lehrgänge explizit für Männer an. Ist das anders als für Gruppen mit überwiegend Frauen? „Ja, doch, schon etwas“, sagt sie und lacht. „Die Männer mögen keine komplizierten Gerichte und Rezepte.“ Ihr gefällt das Interesse ihrer Schüler an den typischen Ingredienzen der Gerichte aus ihrer Heimat. „Und es ist schön, dass es immer mehr exotischere Zutaten auch hier in Deutschland zu kaufen gibt.“

Maria füllt die Arepas, und Zümrüt macht sich daran, das Dessert vorzubereiten. Der Name der Süßigkeit klingt schon mal verlockend: Sultan Sarmasi. Ob die Puddingröllchen einst im Topkapi-Palast, der Residenz der osmanischen Herrscher, erfunden wurden, weiß sie nicht. Egal. „Es schmeckt meiner Familie jedenfalls königlich.“ Mit viel Schwung bedeckt sie das Backblech mit Kokosflocken.

„Meine Arepas-Füllung mit Avocadocreme und Huhn gehört zu den beliebtesten in Venezuela“, erzählt Maria. Liebevoll legt sie die kleinen „Brote“ auf einen Teller und bietet die ersten an. Alle probieren und können Maria nur zustimmen: Am allseits geliebten venezolanischen Nationalessen, dem „berühmtesten Maisfladen Amerikas“, wie das Internetportal venezuela.de schreibt, kann sich jeder nur erfreuen.

Itzenith bekocht mit ihrem Arroz con Pollo oft bis zu 30 Personen. „Das kann einfach sehr gut vorbereitet werden.“ Da es für Lateinamerikaner eigentlich immer etwas zu feiern gibt, ist das ein sehr wichtiges Argument. Ruckzuck ist schon alles abgewaschen, bevor es an den Tisch geht. Das Trio ist nicht nur temperamentvoll, sondern auch praktisch veranlagt. Jetzt noch ein bisschen Musik von Coldplay, einer der Lieblingsbands von Itzenith, schnell die Tafel decken – und dann kann die Party starten.

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