Lauter glückliche Hühner

Sobald das Gras wieder sprießt, beginnt für die rund 5.700 Hennen von Sandra Speer die aufregendste Zeit des Jahres.

Foto(s): Frederik Röh

Ab März ziehen sie mit ihren mobilen Ställen vom Winterquartier am Hof auf die satten Wiesen der Elbmarsch bei Stelle. Dort heißt die Mission dann: picken, scharren, wühlen und leckere Freilandeier für Heilight legen. Ein lautes Gackern und Krähen begrüßt Sandra Speer, sobald sie das Grünland hinter dem heimischen Hof in Stelle nahe Winsen/Luhe betritt. Neugierig laufen einige Dutzend Hühner auf die Inhaberin von Heilight zu, wobei sie die urigsten Kehllaute von sich geben. Andere wühlen mit ihrem Gefieder im Sand oder picken im noch spärlichen Gras nach Würmern. „Sind sie nicht putzig?“, fragt Sandra Speer. Und so entspannt! Die 38-Jährige nickt: „Gutes Futter, ausreichend Wasser und Auslauf, mehr braucht so ein Huhn nicht zu seinem Glück.“ Wenn das stimmt, dann sind ihre rund 5.700 Heilight-Hennen selig. Gerade haben sie mit gut 80 Hähnen ihr weitläufiges Winterquartier am Hof verlassen und sind weiter hinaus auf die Wiesen der Elbmarsch gebracht worden. Hier wächst das saftigere Gras, auch wenn davon jetzt gerade nicht viel zu sehen ist. „Nach zwei bis drei Wochen haben die Tiere so eine Wiese umgescharrt“, erzählt Sandra Speer. Zurück bleiben Sandkuhlen, braune Büschel und nackte Erde. „An einigen Stellen müssen wir neues Gras aussäen, damit dort wieder etwas wächst.“ Dafür finden die Tiere immer ausreichend Würmer, Samen und Grünzeug, sie sind beschäftigt und können sich artgerecht entfalten. Das verhindert Krankheiten und Stress. „Wir haben hier noch kein einziges Tier mit Antibiotika behandelt.“

365 Tage Freigang

Damit die natürliche Futterquelle nicht versiegt, leben die Hühner von Sandra Speer in acht sogenannten Hühnermobilen. Jeweils 720 Hennen und bis zu zehn Hähne teilen sich so einen mobilen Stall mit Futterstelle, Nestern, Hühnerstangen, Picksteinen und einer Kiste mit Steinmehl zur Gefiederpflege. Die Zugänge sind mit Klappen versehen, die sich je nach Wind und Wetter schließen lassen, um Schutz zu bieten. Haben die Hennen den Bereich vor ihrem Stall durchgearbeitet, zieht ein Trecker die Mobile weiter ins frische Grünland. Statt den vorgeschriebenen vier Quadratmetern für Freilandhaltung stellt Sandra Speer jedem Huhn acht bis zehn Quadratmeter zur Verfügung. Um das zu erreichen, kann sie auf 14 Hektar Grünland zurückgreifen. „Unsere Tiere können an 365 Tagen im Jahr ins Freie.“ Ob das alle nutzen, lässt sich schwer sagen. „In diesem Punkt gleichen Hühner den Menschen. In solch einer Großgemeinschaft ist vom Stubenhocker bis zum Abenteurer alles vertreten.“

Junges Huhn, kleines Ei

Mit Einbruch der Dämmerung werden die Ställe zum Schutz vor Füchsen verschlossen. Morgens ab kurz nach neun lassen zwei der drei Vollzeit-Mitarbeiter die Hennen hinaus. „Dann ist der Großteil der Eier gelegt.“ Ein Transportband befördert diese zu einer Sammelstelle am Stall. Dort sortiert Sandra Speer verschmutzte oder beschädigte Eier aus. Ein Huhn legt in Wahrheit nicht jeden Tag ein Ei. Die Legeleistung, so Sandra Speer, pendele sich bei 90 bis 92 Prozent ein. Damit liefern ihre Tiere knapp 5.000 Eier am Tag. „Je jünger das Huhn, umso kleiner das Ei und umso fester die Schale.“ Deshalb sind alle Hühner in einem Stall immer gleich alt. Die Jungtiere bezieht Sandra Speer im Alter von 18 Wochen von einem Händler. „Sie müssen stressfrei zusammen aufwachsen, nur dann verstehen sie sich.“ Ab der 20. Woche legen die Hühner erste Mini-Eier im S-Format. Vier Wochen später erreichen sie Größe M, im Laufe eines Jahres L bis XL – auf ganz natürliche Art.

Gut durchleuchtet und handverlesen

Im Lager am Hof saugt Sandra Speer je 30 Eier mit einem Handsauger aus den Paletten und schiebt sie in eine Sortiermaschine. Diese durchleuchtet jedes Ei auf kleinste Beschädigungen und Verunreinigungen. Anschließend stempelt sie die Eier und sortiert sie je nach Größe. Sandra Speer legt die Eier per Hand in sortenreine 30er-Paletten. Je nach Bestellungen werden diese anschließend in Verpackungen mit je sechs, zehn oder zwölf Eiern sortiert. Mini-Eier gibts in 20er-Kartons. Alle liefert die Landwirtstochter mit einer Mitarbeiterin direkt aus. Aufs Huhn gekommen sind Sandra Speer und ihr Vater Reinhard eher zufällig vor fünf Jahren. Damals war der landwirtschaftliche Familienbetrieb allein auf den Vertrieb von Heu und Stroh für den Kleintiermarkt spezialisiert. Als der Heumarkt strauchelte,
stieß der Vater bei der Suche nach einem zweiten Standbein auf Hühnermobile. 2015 startete Sandra Speer, nun alleinige Geschäftsführerin von Speers Hoff, mit den ersten 300 Hühnern, „um zu gucken, wie wir miteinander klarkommen“. Die Frage war schnell geklärt. „Ich hätte nie gedacht, dass mir die Arbeit mit Hühnern so viel Spaß macht. Entgegen manch einem Vorurteil sind die Tiere nicht nur putzig,
sondern auch klug.“

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