Einfach und lecker

Italienisches Traditionsbrot kombiniert mit englischem Essen und garniert mit einer schwedischen Köstlichkeit: Undenkbar? Ganz und gar nicht. Unsere drei Kandidaten der Hierleben-Kochrunde wagen das Abenteuer.

Foto(s): Frederik Röh
Patrizia Vezzoni
„Die italienische Küche basiert auf wenigen, aber hochwertigen Zutaten“, sagt Patrizia. „Uns ist vor allem die Qualität der Lebensmittel wichtig.“ Die Mutter von zwei Kindern hat in Pisa Philosophie studiert und arbeitet als Programmiererin. Sie liest gern und geht regelmäßig in Programmkinos, um Arthouse-Filme zu genießen. Seit die Familie vor Kurzem innerhalb Hamburgs umgezogen ist, hat sie einen großen Garten, der liebevoll nach und nach aufgepeppt wird. Es wird nicht mehr lange dauern, bis selbst gepflanzte Tomaten und Kräuter den Speiseplan der Familie bereichern.
Alex Rathod
Eigentlich ist Alex vor allem ein großer Risotto-Fan. Meist kocht der sprachbegabte Engländer aus Nottingham vegetarisch, am liebsten Reis- und Pasta-Gerichte. Doch ab und zu muss es mal ein Shepherd’s Pie sein. „Damit bin ich groß geworden. Meine Mutter hat das Traditionsgericht meist einmal pro Woche zubereitet.“ In wenigen Monaten wird Alex sein „European Studies“-Masterstu- dium im niederländischen Leiden abgeschlossen haben. Nach Norddeutschland zieht es ihn oft seiner Freundin wegen, die zurzeit in Hamburg lebt. In seiner Freizeit zeichnet Alex gern und macht mit dem Rennrad die Deiche unsicher.
Maria Kristensson
Sommer in den Schären: Oft ist Maria abends mit ihrem Opa mit dem Boot hinausgefahren und hat Netze gesetzt, die sie im Morgengrauen wieder eingeholt haben. „Die empfindlichen Dorsche müssen sofort aus den Netzen geholt werden. Danach werden sie gleich zum Frühstück im Meerwasser gekocht“, erzählt die Textildesignerin und Übersetzerin. Ebenfalls im Ge- dächtnis sind ihr die „Killevipper“, die Baisers von Birgitta Rasmusson, einer Kochbuchautorin und Freundin ihrer Mutter. „Vor allem sind Baisers auch die Lieblingsnachspeise meines Sohnes. Inzwischen haben wir fast so viele Baiservarianten ausprobiert wie Makrelenrezepte.“

Der Engländer Alex ist für das heutige Event extra aus seinem Studienort Leiden angereist, die Schwedin Maria hat lange nach Förmchen für ihre Baisers gesucht, und Patrizia aus Italien ist nach der Arbeit noch losgelaufen, um die richtige frische Hefe für ihre Vorspeise zu finden. Alle drei sind überzeugte Anhänger von „Slow Food“, der Idee von genussvollem, bewusstem Essen mit möglichst regionalen Zutaten.

Patrizias Hefeteig wird als Erstes vorbereitet, damit er in aller Ruhe gehen kann. „Die deutsche Küche hat sich sehr verändert in den vergangenen Jahrzehnten, ist abwechslungsreich und interessant geworden“, findet Patrizia. „Doch noch immer nimmt man sich in Italien mehr Zeit für die Essenszubereitung, so meine Erfahrung.“

Währenddessen schnappt sich Alex etwas Mehl und hilft beim Ausrollen des Focaccia-Teigs. Auch unter jungen Engländern gibt es also Kochtalente. Die Vorspeise des heutigen Menüs, die Focaccia, kann man in Patrizias Heimat nahezu in jeder „panetteria“, der Bäckerei, bekommen – ein Fladenbrot mit verschiedenen Würzungen und unterschiedlichem Belag. „Eine Focaccia sollte innen weich sein, außen schön knusprig und goldfarben“, erklärt Patrizia. „Bei uns ist sie auch ein beliebter Imbiss zwischendurch oder eine Beilage zum Aperitif in einer Bar.“

Alex brät währenddessen das Hackfleisch scharf in der Pfanne an und vergleicht das englische Traditionsgericht Shepherd’s Pie, das im Original mit Lamm zubereitet wird, mit dem Seemannsgericht Labskaus. „Viele geben einfach das, was sie gerade im Kühlschrank haben, mit in die Auflaufform. Oder Reste vom Sonntagsbraten.“ Wie beim Labskaus, dem Kartoffelgericht mit Pökelfleisch, das nach dem Krieg eine Art Resteverwertungsessen war. Heute kommen sowohl der „Schäferkuchen“ als auch das Labskaus als Hausmannskost, aber auch als Spezialitäten in guten Restaurants auf den Tisch. Mit dem Shepherd’s oder auch Cottage Pie werden viele britische Kinder groß. „Für mich ist das ‚comfort food‘, Wohlfühlessen“, sagt Alex. Übrigens nennen Vegetarier die fleischlose Variante der berühmten Speise Shepherdless Pie. Meistens wird für den Pie allerdings Hackfleisch verwendet.

Maria erzählt derweil ein wenig über das schwedische Essen. „Die traditionellen Gerichte an der Küste sind recht simpel und kommen mit den wenigen Zutaten aus, die es so gab. Diese wurden aber von Ort zu Ort variiert, sodass es heute durchaus Restaurants gibt, die zum traditionellen schwedischen Weihnachtsessen über 100 Sorten eingelegten Hering servieren“, sagt sie. Sie erfindet mit ihrer Familie jeden Sommer neue Rezepte, in denen die frisch geangelten Makrelen eine neue Seite zeigen können: zum Beispiel Gravad Makrill (statt Lachs) oder Makrelenburger, geräuchert und gegrillt. Dass die schwedische Küche viel mehr zu bieten hat als Krebse, Köttbullar und Knäckebrot, beweist auch Birgitta Rasmusson. Die Kochbuchautorin hat ein Rezept in Marias Familie gebracht, für das Maria ihr ewig dankbar sein wird: Killevipper, Baiser mit Zitronencreme. „Manche sind mir zwar optisch nicht richtig gut gelungen. Doch geschmacklich konnte ich damit bisher jeden überzeugen.“ Da sie sich selbst nicht für eine überragende Köchin hält, freut sie sich über dieses Rezept, mit dem sie Freunde und vor allem ihren Sohn glücklich macht. Und der heutige Abend gefällt ihr: „Es macht einfach Spaß, gemeinsam zu schnippeln und ein wenig Wein zu trinken.“ Ihr Schaumgebäck verwandelt sich nun im Ofen zu kleinen süßen Kunstwerken.

Patrizia träufelt gekonnt noch ein wenig Olivenöl auf die fertige Focaccia. Auch die Creme aus getrockneten Tomaten und Kapern, die sie dazu reicht, ist bereits fertig. Und Alex‘ Schäfersmahlzeit riecht schon verführerisch lecker. Fazit: Es muss nicht immer kompliziert sein, wenn lecker aufgetischt wird. Auch Hausmannskost und Speisen mit einfachen, guten Zutaten können großartig schmecken. Einer Italienerin muss man das sowieso nicht sagen. Patrizia lacht und lässt sich das erste Stück Focaccia schmecken.

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