Kochen mit Heimatgefühlen

Wenn ein Waliser Welsh Rarebit zaubert, eine Kasachin mit viel Geduld Pelemeni formt und eine Amerikanerin einen saftigen Apple Pie backt – ja, dann bleibt es nicht aus, dass alle genüsslich in Erinnerungen schwelgen.

Foto(s): Henrik Matzen
Kirsten Fenner
Es sollte eigentlich nur ein Austauschjahr in Deutschland werden. Tja, aber wo die Liebe hinfällt ... Kirsten Fenner verliebte sich in den Norddeutschen René, kehrte nur für drei Monate wieder zurück nach Colorado, brach alle Zelte ab und jettete zurück nach Deutschland. Nun hat die 29-Jährige eine tolle, vierköpfi ge Familie. Jeden Sonntag gibt es – so wie früher in den USA – Pancakes und Bacon, beim American Football der Mannschaft Baltic Hurricanes gerät sie ins Schwärmen, und wenn ihre geliebte Mama aus Amerika da ist, so wie heute am Kochabend, dann ist eigentlich alles perfekt.
Marina Boxberger
Intelligent, kreativ, hübsch: Das ist Marina Boxberger. Die heute 37-Jährige kam als 14-Jährige aus Kasachstan mit ihrer Familie nach Deutschland und fühlt sich seitdem an der Kieler Förde richtig wohl. Ihr Mann stammt auch aus Kasachstan, kennengelernt hat sie ihn aber hier. Die beiden haben zwei kleine Mädchen. „Sie stehen immer an erster Stelle“, sagt Marina liebevoll. Die fröhliche Frau ist seit vielen Jahren Bilanzbuchhalterin in einem großen Unternehmen. Ihre Hobbys: Stricken, Häkeln, Radfahren – und natürlich Kochen! Darin ist sie ganz groß. Ihr Lieblingsgericht: russische Pelemeni.
David Parker
Heute Abend ist gemeinsames Kochen angesagt. Ein Wunder, dass David Parker dafür überhaupt Zeit findet. Der Waliser, der seit vielen Jahren mit seiner Familie nahe Kiel wohnt, hat so viele Hobbys, dass einem schwindelig wird: Dave ist Imker, kümmert sich ehrenamtlich um Flüchtlinge, gibt Schlagball-Training, fördert den Handball-Jugendbereich, spielt Badminton, kocht gern und reist in der Weltgeschichte umher. Unbedingt natürlich auch in seine Heimat Wales, denn da leben noch seine Eltern und sein Bruder. Früher war er übrigens Schafzüchter, heute Netzwerk-Administrator.

Es kann losgehen: Bestens vorbereitet stehen Dave und Marina in Kirstens Küche. Rezepte werden ausgebreitet, Kochutensilien und Zutaten ausgepackt. „Pelemeni und Rarebit musste ich erstmal googeln“, gibt die Amerikanerin Kirsten lachend zu. Aber das ist ja das Schöne an der internationalen Kochrunde: Alle lernen hier neue Dinge aus fernen Ländern.

Dave fängt mit dem Schnippeln an. Für seine Vorspeise – eine Kartoffel-Lauch-Suppe – müssen Zwiebeln, Lauch und Kartoffeln kleingeschnitten werden. „Ich wollte ja eigentlich was mit Lamm machen, denn Wales steht für Lamm, aber eine Vorspeise mit Porree ist auch super.“ Porree ist tatsächlich das Nationalgemüse der Waliser, und dazu gibt es eine witzige Anekdote, erzählt Dave: „Früher haben einmal die Engländer gegen die Waliser gekämpft. Und damit man die Waliser erkannte, haben sie sich Porree an die Jacken gesteckt.“

Kirsten ist ordentlich am Wirbeln. Wer die Küche für die Kochrunde zur Verfügung stellt, hat es naturgemäß am schwersten. Wo sind Töpfe, Schüsseln und Messer? Kirsten, hast du ein Geschirrhandtuch? Und dann kommen noch die Kinder aufgeregt herein, und die Mutter möchte auch mal gucken, was hier so los ist. Kirsten bleibt wie immer fröhlich und gelassen und widmet sich ganz ihrem Apple Pie. „Ich wollte erst einen Peanut Butter Pie machen, aber der kam beim Probebacken bei meinem Mann nicht gut an“, erzählt sie grinsend. Kirsten kocht und backt gern, findet aber im Alltag nicht so viel Zeit dafür. Mittags reinigt sie noch die Grundschule im Dorf – da wird es also eng.

Marina werkelt gut gelaunt vor sich hin und bereitet ihre Hackfleisch-Teigtaschen vor. Normalerweise macht die 37-Jährige immer gleich große Mengen Pelemeni und friert sie in rohem Zustand ein. „Das geht super.“ Die Bällchen erinnern sie an ihre Kindheit. „Die haben wir in Kasachstan früher immer am 31. Dezember gegessen. Das war für uns ein großes Familienfest. Alle sitzen zusammen, essen, reden, tanzen.“ Wenn sie davon erzählt, leuchten ihre Augen. „Wenn ich heute Pelemeni forme, mache ich das gern zusammen mit meinem Mann. Das dauert so schön lange, wir entspannen und haben richtig Zeit zum Schnacken.“ Heute helfen ihr Dave und Kirsten beim Formen. „Das ist aber ganz schön fummelig“, meint Dave. „Das wäre nichts für mich.“

Dave ist tatsächlich ein Mann der Tat. Rastlos, ruhelos, immer in Action. Obwohl er in diesem Jahr 60 Jahre wird, macht er jede Menge Sport und ist ehrenamtlich tätig. Mal kocht er mit Flüchtlingen zusammen Mittagessen, mal bringt er Kindern Schlagball bei, mal reist er nach Afrika und verteilt Kleidung an Bedürftige. Er hat einfach ein gutes Herz. Wenn er kocht, dann entspannt der Waliser. „Ich bin am liebsten allein in der Küche“, gibt er zu. Aber natürlich genießt auch er diesen gemeinsamen Kochabend in vollen Zügen.

Der Apple Pie ist schon im Ofen und riecht verlockend nach Zimt, das Brett mit den winzigen Teigtaschen von Marina füllt sich langsam, und Dave bereitet die Mischung für den „Welsh Rarebit“ vor. „Ich würde das übersetzen mit ‚blubberndem Käse auf Toast‘ “, sagt Dave. Er gibt noch einen Schuss Bier dazu. „Das ist heute die Männervariante“, betont er und lacht. „Man kann auch Milch nehmen.“ Zusammen decken alle den Tisch, und nacheinander werden Vor-, Haupt- und Nachspeise bei einem Glas Rotwein verzehrt. Das allgemeine Fazit: alles wunderbar gelungen! Obwohl sich die drei zum Teil heute erst kennengelernt haben, wird fast schon vertraut miteinander geplaudert. Über Essen, über Schicksalsschläge, über Träume.

Ein toller Abend – und die verschiedenen Rezepte aus Wales, Kasachstan und Amerika wollen alle drei Hobbyköche demnächst unbedingt noch einmal ausprobieren.

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