Künstler in der Küche
Gemeinsam arbeiten sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Heute kochen die drei Ensemble-Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters zusammen für Hierleben. Applaus für diese Premiere!
Foto(s): Henrik Matzen
André Becker
Der Dramaturg und Regisseur stammt aus dem Aargau, kam aber schon zum Studieren nach Deutschland. Danach hat er vor allem an deutschen Theatern gearbeitet. Seine Schweizer Heimat bereist er regelmäßig, zum Beispiel um seine Mutter zu besuchen. Steht zu Hause ein theaterfreier Abend an, serviert er Gästen gern ein klassisches Fondue, ansonsten darf es auch mal ein italienisches Rezept sein oder eine Kreation aus Süddeutschland, „die unterscheiden sich ja nur wenig von der Schweizer Küche“, meint er. Inspiration findet er bei Rezepten in Online-Portalen: „Die passe ich dann individuell an.“
Denison Pereira da Silva
Die Profi-Kochjacke steht ihm schon jetzt ausgezeichnet. Das passt gut zum Lebensplan des Brasilianers: „Wenn ich einmal nicht mehr tanze, will ich eine Ausbildung zum Koch machen und dann international kochen.“ Bis dahin verzaubert der 28-Jährige im Ballettensemble des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters die Zuschauer. Obwohl noch so jung, kann er schon eine beachtliche Anzahl an Stationen vorweisen: erst in Südamerika, dann in München, Halberstadt und nun im Norden. Ein gemeinsames Kochen mit Landsleuten ist für ihn jedes Mal ein Fest: „Wir nennen uns Familie“, sagt er.
Christopher Hutchinson
Anfangs musste Chris stunden-, gar tagelang üben, um deutsche Stücke singen zu können. Die Betonung, die Aussprache – eine Herausforderung. „Das ist eine Reise, und ich bin immer noch auf dem Weg“, schmunzelt er. Dabei hat er Deutsch schon auf der Highschool gelernt. Der smarte Tenor stammt aus Arizona und hat seine Ausbildung in Louisiana gemacht. „Da ist alles Musik“, schwärmt er. Gesang steht in seinem Leben im Mittelpunkt, hat aber ernsthafte Konkurrenz bekommen, denn vor Kurzem ist der 32-Jährige Vater geworden. Jetzt gehören auch Kinderlieder zu seinem Repertoire.

In dieser Kochrunde steckt Musik. „Ich singe immer, einfach immer“, sagt Chris Hutchinson gut gelaunt zwischen zwei Operettenmelodien. Damit sorgt er sofort für gute Stimmung, denn wer bekommt schon ein kostenloses Küchen-Konzert geboten? Chris‘ Pecan Pie wird erst den Abschluss des internationalen Menüs bilden. Deshalb hat er sich zum Teigkneten an den Tresen vor der geräumigen Küche in Flensburg zurückgezogen, die Ballerina Tamyris Candido den drei Köchen zur Verfügung stellt. Die Kollegen kennen sich teils sehr gut, teils nur flüchtig. Gesprächsstoff ist aber genug da, und das gemeinsame Kochen verbindet sofort. Gastgeberin Tamyris kommt aus Brasilien, Hier und wir ebenso wie ihr guter Freund Denison, der konzentriert neben dem Herd die vielen einzelnen Schritte des Hauptgerichts vorbereitet. „Ich freue mich so auf unser brasilianisches Essen“, sagt sie. „Es erinnert mich an meine Oma.“ Auf ihre zarte Ballerina-Figur nimmt sie daher ausnahmsweise mal keine Rücksicht.

André Becker ist für die Vorspeise verantwortlich: Basler Mehlsuppe. „Ein Gericht, das man fast aus nichts machen kann“, erklärt er. Schließlich seien die einfachen Zutaten beinahe in jedem Vorratsschrank zu finden. Dennoch ist der Schweizer nicht mit leeren Händen gekommen, sondern hat am Vortag eine frische Fleischbrühe gekocht. „Rinderfond aus dem Glas oder Brühwürfel tun es aber auch“, betont er. Geduld hat er ebenfalls mitgebracht, denn das Rösten des Mehls dauert etwas. Die Mehlsuppe sei ein Traditionsgericht, erzählt er: „Sie gehört unbedingt zur Basler Fasnacht.“ Sie findet immer eine Woche nach Rosenmontag statt, in diesem Jahr Anfang März. Direkt nach dem „Morgestraich“, also sehr früh, steht sie dann auf dem Tisch. „Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob nun der Käse in die Suppe gehört oder daneben“, fügt der Schweizer hinzu.

Für die Hauptspeise haben Denison und Tamyris einiges vorbereitet. Ein leckerer Auflauf aus Kartoffeln, Gemüse und Huhn steht im Ofen. Denison übergießt ihn beherzt mit Bier. So vermischen sich die herrlichsten Gerüche in der Küche, denn der Tänzer schneidet und hackt noch Kräuter, Zwiebeln und viel Knoblauch. „In Brasilien essen wir gewöhnlich zweimal am Tag“, erzählt Denison. „Und davon einmal Bohnen und Reis. Sieben Tage in der Woche!“ Häufig werde dafür auf Vorrat gekocht. In einer Pfanne brutzelt er Cabanossi, Speck und Zwiebeln und rührt Mandioca hinein. Dieses Mehl aus der Wurzel der Maniokpflanze ist in der brasilianischen Küche allgegenwärtig und macht aus der Mischung eine krümelige Masse. Sie schmeckt würzig-bitter-süß und einfach nur lecker!

Tenor Chris ist inzwischen von Operettenmelodien zu Volksliedern übergegangen. Gerade hat er sich in Tamyris Vorratskammer eine leere Flasche organisiert, die er als Teigrolle benutzt. Improvisieren kann der Künstler hervorragend. Statt getrockneter Erbsen zum Blindbacken des Teigbodens hat er ein Kirschkernsäckchen mitgebracht. „Für meinen Sohn ist aber noch eines zu Hause“, beteuert er. Und weil es Maissirup in Deutschland nicht gibt, hat er aus braunem Zucker, Zitrone und Wasser Sirup eingekocht. „Die Pecan Pie wird sehr süß, dazu kommt viel, viel Butter“, erzählt er und grinst. „Deutsche sind da immer ein wenig entsetzt.“ Muss er als Sänger eigentlich auf bestimmte Speisen verzichten? „Ja, leider. Ich esse gern richtig scharf – aber das geht vor einem Auftritt nicht.“ Vor einer Probe dürfe es zumindest ein bisschen scharf sein, fügt er schmunzelnd hinzu.

Denison muss den Auflauf aus dem Backofen holen, denn nun soll die Pecan Pie hinein. Nach dem Blindbacken kommt die buttrig-süße Mischung in die Form. Chris verteilt schnell noch ein paar Pecannüsse rundherum. Nach dem Backen muss die Pie, ein Klassiker an Festtagen, auskühlen. Zeit, um jetzt erst einmal die kräftige Suppe – versehen mit geriebenem Greyerzer-Käse – und Denisons wunderbares brasilianisches Reis-Nationalgericht zu genießen.

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